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So scheitert man schöner

Wer kennt das nicht: mal wieder flattert die Ablehnung auf eine Bewerbung in den Postkasten und man zieht sich mit Eis und Selbstvorwürfen in die Schmollecke zurück. Oder man klickt im Internet auf einen dieser Hochglanz-Lebensläufen und denkt: den anderen gelingt immer alles so reibungslos, nur ich bekomme nichts hin! Das ist natürlich Quatsch und im Grunde unseres Herzens wissen wir das auch. Dennoch ist es schön, wenn jemand seine Fehlschläge so offen zu gibt wie Johannes Haushofer. Der Assistenz-Professor an der Universität Princeton veröffentlichte vor kurzem seinen „ CV of Failure", also seinen Lebenslauf der Misserfolge.

Lebenslauf der Misserfolge

In dem Dokument listet er Programme auf, in die der Juniorprofessor nicht aufgenommen wurde, Forschungsförderungen, die er nicht bekommen hat und Ablehnungen von wissenschaftlichen Zeitschriften, die seine Forschung nicht veröffentlichen wollten. Besonders schön der Meta-Fehler von 2016: „Dieser verflixte CV of Failures hat mehr Aufmerksamkeit bekommen als meine komplette akademische Arbeit. Auf Twitter wurde Haushofer für die Aktion mit viel Liebe bedacht. Viele wählten auch das Wort „mutig", um die Aktion zu beschreiben. Mutig ist es deshalb, weil Fehler machen und Misserfolge im Allgemeinen als negativ angesehen werden - was ein Fehler ist! Denn wichtig ist allein, wie man mit Misserfolgen umgeht. Vergangenes Jahr ging eine Wutrede des FDP-Parteivorsitzenden Christian Lindner viral. Anlass war ein Zwischenruf eines SPD-Abgeordneten. Er habe ja wohl „Erfahrung mit der Gründerkultur" hatte der SPD-Mann Lindner zugerufen. Es war eine hämische Anspielung auf Lindners einstiges Scheitern mit seinem Unternehmen während der New Economy. „Man soll das Scheitern von Pionieren nicht biografisch als Stigma verwenden! Dies ist einer der Gründe, warum die Menschen lieber in den öffentlichen Dienst gehen, statt zu gründen", entgegnete Lindner, ebenfalls ein wenig gehässig.

Fuck-Up-Nights und Konferenzen über das Scheitern

Natürlich, es gibt auch saudumme Fehler und nicht jeden Fauxpas muss man an die große Glocke hängen. Aber genauso wenig muss man sich von einer Ablehnung nicht entmutigen lassen oder gar aus Angst vor dem Scheitern, gar nicht erst etwas Neues versuchen.

Dass Scheitern ganz normal ist und zum Entwicklungsprozess schlicht dazu gehört, wird insbesondere in der Welt der Start-Ups immer öfter offen thematisiert. Auf so genannten Fuck-Up-Nights tauschen sich Gründer aus, erzählen lustige Anekdoten und geben auch ernst gemeinte Ratschläge, damit andere aus ihren Fehlern lernen können.

In Berlin wird es im September gleich eine ganze Konferenz rund um das Thema „Scheitern" geben. „Zu viele Ideen werden nie realisiert, weil das Netzwerk oder der Mut zum Scheitern fehlen. Das wollen wir ändern", sagt Shai Hoffmann von Get Engaged, einer Plattform, die sozial Engagierte und Interessierte zusammenzubringt. Hoffmann und sein Team wollen an zwei Tagen mit Speakern und Barcamps dem Thema eine Bühne bieten und aufklären, warum es in Deutschland - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern - immer noch ein Makel ist zu scheitern. „Bei uns ist Scheitern eher negativ konnotiert. Andere Länder pflegen geradezu eine Scheiternkultur", sagt Hoffmann. Zur Finanzierung der Konferenz starten die Macher von Get Engaged am 15. Juni 2016 eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform startnext - mit Risiko zum Scheitern inbegriffen. Zwar steht dann nicht die gesamte Konferenz in Frage, jedoch müsse man etwas umplanen, erklären die Macher von Get Engaged. Also was tun, wenn mal wieder was so richtig schief gegangen ist?

Lassen Sie sich ruhig hängen. Für eine befristete Zeit ist es heilsam, diese Gefühle auszuleben. Nach dem Wundenlecken sollte man aber nach vorne schauen. Dazu gehört den Vorgang zu analysieren, um herauszufinden, wie es zu der Niederlage kam. Was ist mein Anteil, der zum Scheitern beigetragen hat und auf welche Faktoren hatte ich gar keinen Einfluss? Denn nur den eigenen Beitrag kann man beeinflussen. Dabei geht es nicht darum, sich wegen möglicher Fehler Selbstvorwürfe zu machen oder in Selbstmitleid zu zerfließen. Wir müssen den gemachten Fehler nicht gut heißen, aber ihn akzeptieren. Nur so kann man daraus lernen und es beim nächsten Mal besser machen. Mit einer gesunden Wer-weiß-wofür-es-gut-war und Jetzt-erst-recht-Einstellung.

Wie heißt es so schön? Hinfallen, aufrichten, Krönchen richten - und weitermachen!

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