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Visual Art Week: Mexiko-Stadt erleuchtet im Farbenspiel

Die Visual Art Week feiert Premiere in der Hauptstadt: 23 junge Künstler aus Mexiko und aller Welt tauchen die bekannten Plätze und Gebäude in ein magisches Licht. Kunst und Technik verschmelzen in interaktiven Installationen - und laden die Besucher zu einer spielerischen Entdeckungsreise ein.

Von Daniel Schlicht


Kunst trifft Technik trifft öffentlichen Raum - so skizzieren die Macher der Visual Art Week die drei Achsen, um die sich das interdisziplinäre Lichtkunstprojekt in Mexiko-Stadt dreht. Tatsächlich lässt sich das Festival, das am Dienstag eröffnet wurde, kaum treffender beschreiben. Die Visual Art Week lädt ein, die bekannten Plätze und Gebäude der Hauptstadt im wahrsten Sinne in neuem Licht zu erleben. Insgesamt 23 Künstler aus Mexiko und aller Welt haben an sechs öffentlichen Räumen interaktive, audiovisuelle Kunstwerke installiert. Der Weg führt die Besucher dabei vom Palacio Bellas Artes, durch die Colonia Roma, vorbei an der Glorieta de la Palma über den Paseo de la Reforma bis zum Museo Jumex.

„Die Idee war es, eine Ausstellung im öffentlichen Raum zu schaffen, in der Menschen Lichtinstallationen mit allen Sinnen erleben können", sagt der Direktor der Visual Art Week, Pablo Britos. „Spielerisch, begehbar, wie eine Reise." Alleine die Planung hat fast drei Jahre in Anspruch genommen. Nun, pünktlich zum Internationalen Jahr des Lichts, feiert das innovative Projekt seine Premiere in Mexiko-Stadt - und erwartet bis zu drei Millionen Besucher. Britos möchte vor allem Nachwuchstalenten aus dem Bereich audiovisueller Kunst eine Plattform geben, wie er selbst sagt. „Sie sollen sich auf der Visual Art Week neben prominenten internationalen Künstlern präsentieren können."

Einer von ihnen ist der kanadische Lichtkünstler Daniel Iregui. Der 32-Jährige hat die interaktive Installation „Control no Control" auf der Esplanade vor dem Palast der Schönen Künste entworfen. Das Besondere: Die Installation wird erst mithilfe der Besucher zum Leben erweckt. Durch Bewegungen und Berührungen mit Händen, Armen oder dem ganze Körper werden individuelle Lichtmuster und Soundeffekte auf den Leinwänden aktiviert.

Diese unbegrenzten, zufälligen Kombinationen, die durch die Interaktion mit dem Publikum entstehen, faszinieren den Künstler. „Ich schaffe ein System, die Regeln und Ästhetik, aber das Ergebnis ist immer unterschiedlich", sagt Iregui. „Das ist der Grund, warum ich meine Arbeiten gerne interaktiv gestalte."

Farbenprächtige Symbiose von Natur und Technik 

An der Glorieta de la Palma hat das französische Kollektiv Visual Systems die perfekte Illusion geschaffen. Ihr Kunstwerk „Potted Palm", welche die Künstler extra für die Visual Art Week entworfen haben, verschmilzt scheinbar mit dem urbanen Raum, der es umgibt. Die Palme, welche den Paseo de la Reforma seit über 150 Jahren überragt, bekommt endlich einen Topf spendiert. Und was für einen: Das überdimensionale Gefäß besteht aus Tausenden neonfarben-illuminierten Feldern, welche in unterschiedlicher Rhythmik ihre Form verändern - von geometrischen Figuren bis hin zu Wellenbewegungen.

Die Künstler spielen dabei mit der Koexistenz von Natur und Technik: Organische und anorganische Strukturen vereinigen sich zu einem Werk. Die natürliche Seite wird offensichtlich von der Palme selbst repräsentiert, wie Visual Systems schreiben. Das künstliche, futuristisch anmutende Behältnis, verleihe der „Potted Palm" hingegen eine klare technologische Identität.

„20 Artistas", „Marentus", „Wide/Side"

Weitere Installationen sind auf der Alameda Central, der Plaza Río de Janeiro und dem Atrio de San Francisco aufgebaut. Am Monumento Hemiciclo a Juárez laufen rund um die Uhr auf zwei großen Bildschirmen Videoperformances unter dem Titel „20 Artistas". Tatsächlich haben sich jedoch nur 18 Künstler an dem Projekt beteiligt - neun mexikanische, neun internationale.

Auf der Plaza Río de Janeiro ist die audiovisuelle Installation „Marentus" zu erleben. Die mexikanischen Künstlerkollektive Peak Time Lab und Art Alliance MX präsentieren ihr Werk auf dem von Bäumen gesäumten Platz in der in der Colonia Roma. Durch Berührungen des achteckigen Bodens entsteht ein interaktives Spiel aus Illuminierung und Musik, das sie Besucher selbst steuern können.

Die Explanade des Atrio de San Francisco bildet die Bühne für die psychedelisch anmutende Skulptur „Wide/Side" des portugiesischen Künstlers Joäo Martihno Moura. Die eigens für die Visual Art Week entworfene Installation bezieht ebenfalls den Besucher als aktiven Teilnehmer in das Kunstwerk mit ein. Bewegungen und Gesten werden in Echtzeit von dem interaktiven System erkannt und kreieren eine „interaktive Choreographie" aus Formen, Bildern und Tönen, wie der Künstler schreibt.

Ein Lichtermeer aus 8.064 LED-Kugeln

Neben diesen fünf öffentlichen Plätzen ist das Museo Jumex der einzige Indoor-Ausstellungort auf der Visual Art Week. Dort präsentiert das Kollektiv für Design und New-Media-Arts Squidsoup seine spektakuläre Installation „Submergence". Diese besteht aus insgesamt 8.064 LED-Kugeln, in die das Publikum - wie der Titel des Werks bereits impliziert - im wahrsten Sinne eintauchen kann. „Submergence" nutzt die Bedingungen von Raum und Licht, um eine dynamische, multidimensionale Struktur zu schaffen, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. „Eine immersive, begehbare Erfahrung‟, wie es die Künstler selbst ausdrücken.

Die Besucher betreten demnach mit dem Kunstwerk einen Raum, der sowohl aus realen und virtuellen Komponenten besteht, die in ihrer Intensität von Licht, Farbe und Soundeffekten durch Bewegung verändert werden können. Die Installation besteht aus vier Bereichen, für die man jeweils etwa fünf Minuten benötigt. So entsteht Schritt für Schritt ein abstraktes, narratives Kunstwerk von „großer poetischer Natur", wie Squidsoup sagen, das die Besucher „in eine magische und unwirkliche Welt" entführt.

Wer den Weg zurück in die Wirklichkeit gefunden hat, dem sei noch ein Besuch im „Centro Cultural de España" und im „Laboratorio para la Ciudad" nahe gelegt. Dort finden nämlich parallel zu den Ausstellungen zahlreiche Workshops und Diskussionsrunden statt, bei denen auch der eine oder andere Künstler anzutreffen ist. Für genügend Gesprächsstoff sollte also gesorgt sein.

Die Visual Art Week findet vom 3. bis 8. Februar zwischen 10 Uhr und 23:30 Uhr an verschiedenen öffentlichen Plätzen in Mexiko-Stadt statt. Der Eintritt ist kostenlos. Am besten lassen sich die unterschiedlichen Installationen zu Fuß oder mit dem Rad erkunden. Einen Vorschlag für einen Rundgang gibt es hier

Zuerst erschienen am 5. Februar 2015

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