Daniel Hinz

Freier Journalist & Reporter, Berlin

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Wie Twingo und Smart zu ihrem Namen kamen

Ich sperre mich mit dem neuen Auto allein ein, lege mich vor den Kühlergrill, taste es, rieche innen, versuche, die Seele des Autos zu erfassen. Das gehört zu meiner Arbeit als Namenserfinder. Fast jeder kennt die Namen, die ich erfunden habe: Smart, Cayenne, Panamera. Ich mache das seit knapp 40 Jahren.


Am liebsten erfinde ich Namen für Autos. Mein Vater liebte sie, es war mir in die Wiege gelegt; später arbeitete ich als Tankwart, stand mit Benzingeruch in der Nase an der Kasse, wechselte das Öl. Ein Auto ist wie ein Mensch: Man sagt, dass es einen dicken Hintern hat oder sein Scheinwerfer schielt. Meine Aufgabe ist es, den Namen zu finden, der die richtige Emotion auslöst. Wie beim Twingo, dessen Name auch von mir ist. Da denkt man sofort an ein süßes Auto mit Glubschaugen.


Für meine Dienste zahlen mir die Hersteller zwischen 25.000 und 150.000 Euro. Ich brauche bis zu zwei Monate für einen Namen. Wie Picasso intuitiv ein bestimmtes Blau wählte, kann auch ich nicht erklären, wie ich auf genau diesen oder jenen Namen komme. Er darf jedenfalls keinem Trend folgen und muss dauerhaft einsetzbar bleiben.

Früher achtete man mehr auf die nationalen Märkte, nahm "verständliche" Namen wie Kadett oder Granada. Heute müssen Namen international funktionieren. Wie klingt er in welcher Sprache, ist er unverwechselbar und bleibt im Kopf? Der Name muss auch markenrechtlich sicher sein. Dafür arbeite ich mit Juristen zusammen. Und mit Linguisten - es kommt nämlich oft vor, dass ein Autoname in irgendeiner Sprache eine unerwünschte Bedeutung hat. Pajero zum Beispiel heißt "Wichser" auf Spanisch. Und E-tron erinnert an étron, ein französisches Wort für Kot.


Meine Mutter sagte früher: Aus dir wird nie etwas. Das hat mich extrem geärgert. Dann kam mir die Idee mit der Namensfindung. Ende der Achtzigerjahre, da ging ich auf die 40 zu, machte ich mich damit selbstständig. Das Gelächter war groß. Ich musste Klinken putzen, fuhr im Autobianchi bei abnehmendem Kontostand durch die Republik. Es war pures Glück, als Opel sich meldete und einen Nachfolgenamen für den Ascona suchte. Mit zitternden Knien stand ich vor dem Vorstand. Die Art, wie ich präsentierte, war damals revolutionär: Ich hatte eine Computeranimation erstellen lassen, auf dem Heck waren realistisch "Opel" und der Name Vectra abgebildet. Das kam an, und so wurde der Vectra geboren. Im Büro tanzte ich später vor Freude auf dem Schreibtisch.

Ich arbeite nicht nur für Autobauer. Namen wie Congstar, Evonik und Targobank sind auch von mir. Eng an meiner Seite steht mein Sohn Julian, ich denke, dass er bald das Ruder übernehmen wird. Seinen Namen übrigens hat meine Frau bestimmt.


Manfred Gotta, 75, lebt im Schwarzwald.

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