Daniel Hautmann

Journalist (Technik, Energie, Umwelt), Hamburg

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Hätte, hätte - Fahrrad ohne Kette

Ceramic Speed

Die Tage werden länger, das Frühjahr rückt näher - es wird langsam Zeit, das Fahrrad für die nächste Saison vorzubereiten. Dazu gehört auch das lästige Ölen der Kette. Das entfällt bei einem neuen Antriebskonzept, welches das dänische Unternehmen Ceramic Speed entwickelt hat: Das System namens Driven hat keine Kette.


Das Prinzip kann man sich so ähnlich vorstellen wie einen Kardanantrieb an einem Motorrad - nur ohne Getriebekiste. Präziser gesagt ähnelt es dem eines Kegelrad- oder Winkelgetriebes: Ein großes Zahnrad an der Kurbel überträgt seine Drehbewegung rechtwinklig auf einen Karbonschaft, der statt Zahnrädern allerdings vorne und hinten je einen Kranz aus Keramik-Kugellagern hat. Die Kugellager passen perfekt in die runden Aussparungen am Kettenblatt und am Hinterrad.


Ceramic Speed ist in der Rennrad- und Triathlon-Szene bekannt für seine extrem reibungsarmen Keramik-Kugellager und Schaltwerks-Umlenkrollen aus superleichtem Karbon. Topathleten holen mit den Komponenten der Dänen das Äußerste aus ihren Rennrädern heraus. Das neue Antriebskonzept für Rennräder soll in Sachen Reibung alles bisher Dagewesene toppen: Driven ist nach Angaben des Herstellers 49 Prozent effizienter als eine hochwertige Kettenschaltung - und zudem deutlich leichter. Ferner biete es aerodynamisches Einsparpotenzial, schreiben die Entwickler.


Fahrradantrieb ohne Gleitreibung

Mit ihrem neuen Antriebskonzept wollen die Dänen in erster Linie die Gleitreibung minimieren, die bei klassischen Kettenantrieben an acht Stellen entsteht. Mit Driven gäbe es nur noch zwei Punkte mit Rollreibung, die deutlich widerstandsärmer seien, schreiben die Entwickler. Schließlich gibt es keine Kette und keine Umlenkrollen mehr, die bei herkömmlichen Fahrradschaltungen für Reibung sorgen - und verschleißen. Ketten bestehen immerhin aus bis zu 400 Einzelteilen, wovon sich jedes einzelne abnutzt.


Das Übersetzungsspektrum und die Schaltgeschwindigkeit sind enorm. Am Hinterrad der Driven-Übersetzung erlauben 13 verschieden große Ritzel unterschiedliche Übersetzungen. Der auf der Messe gezeigte Prototyp weist ein Übersetzungsverhältnis von 376 Prozent auf. Andere Übersetzungsspektren seien problemlos realisierbar, heißt es.


Um die Gänge zu wechseln, braucht es keine Kraft am Hebel und keine Bowdenzüge mehr - ein Knopfdruck genügt, schon fährt der hintere Lagerkranz zwischen den Ritzeln hin und her, indem er auf seiner Welle nach vorne oder hinten verschoben wird. Bislang funktioniert das beim Prototyp, der auf der Messe gezeigt wurde, aber noch nicht. Die Idee der Konstrukteure ist es, über eine Funkstrecke einen kleinen Servomotor in der Welle zu steuern und so den Schaltvorgang einzuleiten.


Vorgestellt hatten die Dänen das Konzept auf der Friedrichshafener Fahrradmesse Eurobike im vergangenen Juli, wo sie für ihre Entwicklung den Eurobike-Award verliehen bekamen. "Das große Faszinosum der Eurobike! Mächtig beeindruckend, die haben das Thema Antrieb mal komplett neu gedacht", kommentiert David Koßmann, Fachredakteur beim Radkulturmagazin Fahrstil.


Bei Details halten sich die Dänen recht bedeckt. "Tut mir leid, dass wir mit öffentlichen Informationen im Moment zurückhaltend sind", entschuldigt sich Ben Powell, Marketing-Chef bei Ceramic Speed. Noch arbeiten sie an der Entwicklung ihres Antriebs: "Wir konzentrieren uns gerade auf das Schalten."


Eines scheint schon jetzt klar: Nachrüsten lässt sich der Antrieb nicht, er erfordert einen eigens gestalteten Rahmen. Ob, wann und zu welchem Preis Driven in Serie geht, ist ebenfalls offen. Sobald dürfte es nicht sein: Laut Powell ist es für einen konkreten Termin noch zu früh.

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