Daniel Hautmann

Journalist (Technik, Energie, Umwelt), Hamburg

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Leicht geladen / Welt am Sonntag

Jeder weiß oder hat in der Schule gelernt, wie eine Batterie funktioniert. Da wandern Ionen von einer Elektrode zur anderen, und es wird aus chemisch gespeicherter Energie elektrische gewonnen. Doch so ganz im Detail wissen es selbst Experten wie Gerhard Hörpel nicht, welche chemischen Reaktionen zum Beispiel genau an den Elektroden ablaufen. Hörpel ist Direktor des Batterieforschungszentrums MEET in Münster, in dem Techniker den Akku der Zukunft entwickeln wollen. Gern würden die Wissenschaftler näher an ihr Forschungsobjekt herankommen. Doch Batterien - oder Akkus - sind ein Albtraum für Forscher.

Öffnen sie den Akku, reagiert das Innere sofort mit dem Sauerstoff aus der Luft. Wie es im Gehäuse vorher ausgesehen hat, wäre nicht mehr exakt zu rekonstruieren. Gezielt gesteuerte Experimente sind so nicht möglich.

Dabei wäre es wichtig, Fortschritte in der Akkutechnologie zu erzielen: Batterien sind der Dreh- und Angelpunkt für die von der Bundesregierung gestartete Elektroauto-Initiative. Niemand zahlt 25.000 Euro für ein Auto, das nur 100 Kilometer weit fährt, dessen Batterie Stunden zum Aufladen braucht, schnell altert und äußerst temperaturanfällig ist. Doch obwohl sich Batterien als ein durchaus sperriger Untersuchungsgegenstand erweisen, gibt es gerade in der jüngsten Zeit Fortschritte. In Sachen Lebensdauer scheinen die Probleme weitgehend gelöst. Sie beschreibt, wie oft eine Batterie sich auf- und wieder entladen lässt beziehungsweise wie lange es dauert, bis die chemischen Substanzen im Innern den Akku derart angegriffen haben, bis er nicht mehr funktionsfähig ist.

Neuere Modelle halten 2000, unter optimalen Bedingungen auch 5000 Ladezyklen durch. Damit ließen sich 300.000 Kilometer zurücklegen. Länger halten auch die anderen Teile eines Autos nur selten durch.

Besonders im Fokus der Forscher steht die Energiedichte. Sie gibt an, wie viel Energie pro Kilogramm gespeichert ist. Schließlich ist im Auto nur wenig Platz für einen Akku. Die gängigen Lithium-Ionen-Akkus erreichen 120 Wattstunden pro Kilogramm. "Ich bin sicher, dass sich die Energiedichte verdoppeln lässt", sagt Hörpel. In Experimenten mischen dazu Techniker Lithium mit anderen Stoffen. Mal kombinieren sie Schwefel mit dem Alkalimetall. Das Ergebnis sind nicht nur kompakte und relativ günstige Akkus, sondern auch besonders leistungsfähige. Erstaunliche 3350 Wattstunden pro Kilogramm sollen damit theoretisch möglich sein. Oder die Wissenschaftler geben Sauerstoff hinzu. Damit soll sich der Energiegehalt von Benzin- oder Diesel erreichen lassen.

Luft könnte ohnehin eine größere Rolle in künftigen Akkus spielen. Neben Lithium mischen Techniker auch Zink, Aluminium und viele andere Metalle damit. IBM will mit den Mixturen die Energiedichte um das Vierfache erhöhen.

Andere Forscher verzichten ganz auf Lithium, sie nehmen zum Beispiel Magnesium, das in der Erdkruste häufiger vorkommt. Es transportiert gleich zwei Elektronen statt einem. Das erhöht die Energiedichte ebenfalls. Auch das in der Fachwelt schon oft als Wunderstoff gefeierte Graphen kommt zum Einsatz. Graphen besteht aus einer nur ein Atom dünnen Kohlenstoffschicht. Es bildet die dünnste Strom leitende Schicht überhaupt. Der Stoff ist zudem sehr hart und gleichzeitig biegsam. Dadurch sollen sich künftig Batterien in nahezu jeden Winkel eines Autos platzieren lassen.

An der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit einer Batterie arbeiten Forscher ebenfalls. Bei Lithium-Ionen-Akkus soll sie nach Aussagen von Bosch schon bald verdoppelt werden können. Die Forscher experimentieren mit hauchdünnen Schichten, an denen sich die Ionen möglichst geordnet versammeln. Zu fest dürfen sie sich allerdings nicht krallen oder gar verklumpen, schließlich müssen sie sich noch auf den Weg zur anderen Elektrode machen, um dadurch Strom zu produzieren. Zu locker dürfen sie aber auch nicht sitzen, ansonsten würde die Batterie zu schnell entladen. Die dafür notwendigen fein strukturierten Oberflächen können Forscher mithilfe von Nanotechnologie bereits produzieren.

Wichtig für die Leistungsfähigkeit einer Batterie ist zudem die Steuerungselektronik. Jede Batterie ist unterschiedlich. Werden diese Unterschiede exakt erfasst, lässt sich der Fluss der Ionen präzise steuern - und so für die Stromproduktion optimieren. Einen Strich durch die Rechnung der Steuerungsexperten können jedoch Umwelteinflüsse machen, die auch mit feinster Elektronik nicht zu kontrollieren sind. "Kälte zum Beispiel ist ein Problem", sagt Jens Tübke vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie bei Karlsruhe. "Das größere Problem aber ist Hitze, weil sie häufiger auftritt. Etwa beim Laden und Entladen." Die Akkus seien regelrechte Komfortzonenbewohner, sagt Tübke: "Ihre Wohlfühltemperatur liegt zwischen 15 und 40 Grad Celsius."

Zum Wohlfühlen der Nutzer sind zwei weitere Aspekte wichtig: der Preis einer Batterie und ihre Reichweite. Ein moderner Auto-Akku kostet 5000 bis 10.000 Euro. Je Kilowattstunde sind das etwa 500 Euro. "Ein guter Preis wären 150 Euro", sagt Hörpel. Der US-Elektroauto-Pionier Tesla will das schaffen und baut derzeit eine gigantische Batteriefabrik. Durch Massenfertigung sollen die Preise für Batterien um 30 Prozent sinken.

Ein ebenfalls schwer zu lösendes Problem ist die mangelnde Reichweite der Elektroautos. Jens Tübke ist sicher, dass in absehbarer Zeit bis zu 500 Kilometer mit einer Akkuladung möglich sind - allerdings nur, wenn das gesamte Fahrzeug konsequent auf Effizienz getrimmt wird. Die Batterie im Leichtbau-Modell BMW i3 kommt auf 190 Kilometer, das Tesla Model S auf mindestens 400 Kilometer. Die Reichweitenfurcht ist so weit verbreitet, dass Thomas Franke mit dem Thema an der TU Chemnitz sogar promovieren konnte. Für seine Dissertation hat er herausgefunden, dass sich E-Auto-Nutzer im Vergleich zu Fahrern von Autos mit Verbrennungsmotor grundsätzlich "deutlich mehr Sorgen um die Reichweite machen".

Auch da kann Forschung helfen. Zum einen wird derzeit das noch sehr weitmaschige Netz an Ladestationen ausgebaut. Straßenlaternen, Solaranlagen auf dem Dach des eigenen Hauses oder Extra-Steckdosen auf Parkplätzen sollen neben herkömmlichen Stromzapf-Säulen Energie liefern. Außerdem entwickeln Forscher Supercharger: Ladestationen, die Akkus innerhalb einer halben Stunde aufladen. Techniker der University of Illinois haben dreidimensionale Elektroden in Lithium-Akkus eingebaut. Das Ergebnis: Die Batterie lässt sich 1000-mal schneller laden. Wie genau das abläuft und warum es so viel schneller geht, wissen sie nur ansatzweise. Es scheint ohnehin das Credo der Batterieforscher zu sein: Hauptsache, es funktioniert.

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