Daniel Hautmann

Journalist (Technik, Energie, Umwelt), Hamburg

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Die Wasserbatterie

In Süddeutschland gehen Windkraft und Pumpspeicher eine zukunftsträchtige Symbiose ein.



Im württembergischen Gaildorf entsteht gerade die Pilotanlage einer ungewöhnlichen Kraftwerkskombination: Windräder mit eingebautem Pumpspeicher. Die Sockel der vier Windturbinen, die dort derzeit auf einem Bergrücken gebaut werden, dienen gleichzeitig als Wasserspeicher. Über Rohrleitungen sind sie mit einem Kraftwerk und dazugehörigem Unterbecken 200 Meter tiefer im Tal verbunden.


Der Gedanke dahinter: Wenn man ohnehin schon riesige Betonfundamente auf einem Berg errichtet, kann man sie auch gleich zu Wasserbecken ausbauen. Das senkt den Bedarf an konventionellen Pumpspeichern, für die meist unberührte Landschaften umgepflügt werden. Derzeit errichten Arbeiter die ersten Fundamente und Wasserspeicher. Ende 2017 sollen die Windräder ans Netz gehen, 2018 die Speicher.


Jedes Windrad hat zwei Wasserspeicher. Einer befindet sich in den Sockeln, die das unterschiedliche Höhenniveau der Bergkuppe ausgleichen. Sie haben einen Durchmesser von 16,8 Metern und sind - je nach Standort - bis zu 40 Meter hoch. Wenn der Speicher Strom liefern soll, werden sie zuerst angezapft. Drumherum gibt es noch vier große offene Becken mit einem Durchmesser von 63 Metern und einem Wasserstand von 13 Metern. Sie kommen nach den Sockelspeichern zum Zuge.


Die Türme sind mit 173 Metern Nabenhöhe die höchsten weltweit, die Rotoren mit einem Durchmesser von 137 Metern ebenfalls XXL. Trotzdem leisten die Generatoren nur 3,4 Megawatt. Mit dieser Kombination lässt sich der mit durchschnittlich 6,4 Metern pro Sekunde recht schwache Wind am besten ausnutzen. Im Jahr soll die Anlage rund 2200 Volllaststunden und 40 Gigawattstunden liefern.


Insgesamt fassen die Speicher 160000 Kubikmeter, was 70000 Kilowattstunden Strom entspricht. Läuft das 16-Megawatt-Wasserkraftwerk unter Volllast, wären die Becken bereits nach gut vier Stunden leer. Doch darum geht es gar nicht. Der Speicher soll schnell hoch- und herunterfahren werden, um Regelenergie zur Stabilisierung des Stromnetzes zu liefern. "Wir fahren aus dem Stand in 30 Sekunden auf Volllast. Pro Tag rechnen wir mit 10 bis 50 Start-Stopp-Vorgängen", sagt Alexander Schechner, einer der beiden Geschäftsführer der Naturspeicher GmbH, die das Kraftwerk baut.


Mit Pumpspeichern kennt er sich aus. Beim Wasserkraftwerksbauer Voith in Heidenheim hatte er zuvor 14 Jahre lang an solchen Anlagen gearbeitet. Um auf die Idee mit dem Kombikraftwerk zu kommen, musste er dort nur aus dem Fenster schauen: Die Gegend ist bergig, oben weht Wind, unten im Tal fließt Wasser. Da sich Voith nur um die Wasserkraftseite kümmern wollte, suchte der 47-Jährige noch einen Partner für den Windpart. Den fand er im bayerischen Bau- und Technologiekonzern Max Bögl.


Außer bei den Speichern mussten die Partner noch bei einer weiteren wichtigen Komponente Neuland betreten: Beim fünf Kilometer langen und zwei Meter dicken Druckrohr für das Wasser. Es muss nicht nur bis zu 30 Bar aushalten, sondern sich auch leicht verlegen lassen. Schließlich steht die Anlage im Wald, hier kann man den Boden nicht beliebig zubetonieren. "Und Stahlrohre mit vielen Radien würden das gesamte Projekt unwirtschaftlich machen", so Schechner.


Gemeinsam mit der Firma Egeplast aus dem westfälischen Greven entwickelte man ein flexibles Rohr aus Polyethylen mitsamt einer maßgeschneiderten Verlegetechnik. Zur Baustelle werden 18 Meter lange und bis zu zehn Tonnen schwere Segmente geliefert. Eine eigens entwickelte Maschine schweißt sie zusammen und biegt sie anschließend in den gewünschten Radius. So lässt sich die Rohrstrecke den natürlichen Gegebenheiten anpassen. "Unsere Technologie revolutioniert die Verlegung von Großrohren in sensiblen Landschaften", sagt Schechner.


Einmal durch die Turbine geströmt, wird das Wasser im Tal in einem 300 mal 150 Meter großen und 4,5 Meter tiefen Becken gespeichert. Dieses war in Form einer Ausgleichsflutmulde bereits vorhanden. Ob es allerdings wirklich als eine Art Biotop die Umwelt bereichern wird, wie Schechner propagiert, bezweifeln nicht nur Umweltschützer. Schließlich sind die Pegelschwankungen mit zwei Metern beträchtlich.


Alles in allem soll das Kombikraftwerk im Jahr rund 6,5 Millionen Euro einnehmen, hofft Schechner. Dem stehen Kosten von rund 70 Millionen Euro gegenüber, wobei sich der Bund mit rund sieben Millionen beteiligt. Um die Kosten für künftige Projekte zu senken, will das Team nun sämtliche Prozesse und Komponenten standardisieren. Die nächsten Anlagen, verspricht Schechner, werden deutlich günstiger. Zudem will er die thermische Energie des Unterbeckens künftig mit Wärmepumpen nutzen.

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