Dagmar Holley

Fachjournalistin & Fotografin, Wien

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Überlebenskünstler in großer Höhe



Pflanzen und Tiere haben sich perfekt an das Leben im Gebirge angepasst. Nun bedrohen Klimawandel und Umweltverschmutzung die Artenvielfalt oberhalb der Waldgrenze. Fernab von Forschungszentren ist es oft schwierig, Daten zu sammeln. Hier setzt das Alpenvereinsprojekt „Vielfalt bewegt!“ an.


„Da schau, sind das Gämsheiden?“, fragt die neunjährige Marina aufgeregt. Ihre Vater Klaus durchblättert den mitgebrachten Stapel Bestimmungskarten. Sie vergleichen die Pflanzen am Wegrand mit dem Steckbrief. „Ja, das sind sie!“ Schnell ein Foto und die GPS-Koordinaten – diese sind wichtig für eine wissenschaftliche Auswertung. Ziel des Citizen Science Projektes „Vielfalt bewegt“ ist es in den höchst gelegenen Lebensräumen ein langfristiges Monitoring aufzubauen.

17 ausgewählte Arten werden erfasst, die Datenlage verbessert und Veränderungen schneller erkannt. Mitmachen können alle, die gerne in den Bergen unterwegs sind. Nach einer formlosen Anmeldung über die informative Webseite erhalten die Teilnehmer eine Beobachternummer und ein Startparket mit den Steckbriefen der untersuchten Arten sowie eine Kartieranleitung. Für alle, die noch mehr wissen wollen, bietet der Alpenverein zweitägige Workshops an.

 

Die Gämsheide – liest Marina am Steckbrief – schafft sich durch ihre Wuchsform ein eigenes Mikroklima: Das Blätterdach schließt so dicht, dass im Inneren auch bei starkem Wind Wärme und Feuchte erhalten bleiben. Die verdickten Blätter schützen vor Frost. So ertragen die rosa blühenden Pflanzen Temperaturen von -30 bis +50°C. Ihre Verbreitung reicht bis 3000 Meter Seehöhe. Die Blätter dienen Gemsen, Steinböcken und Schneehühnern im Winter als energiereiche Nahrung.

Oberhalb der Waldgrenze sind die Vegetationsperioden kurz, Wind und Temperaturschwankungen groß und die Böden karg. Flora und Fauna haben Überlebensstrategien für diese unwirtlichen Lebensräume entwickelt. Ob und wie sich die Populationen verändern, ist bislang wenig bekannt, da Datenerhebungen in abgelegenen Gebieten aufwendig sind.

Gerade im Bereich Umweltmonitoring bietet Citizen Science viele Vorteile. In dieser offenen Wissenschaft unterstützen interessierte Laien Projekte, indem sie Beobachtungen melden, Messungen durchführen oder Daten auswerten. Neben der Schaffung einer Datengrundlage fördern solche Projekte auch die Bewusstseinsbildung.

 

Als Marina und ihr Vater am Abend nach Hause kommen, tragen sie ihre Funde ins Online-Erhebungsformular ein. „Derzeit haben wir 600 Datensätze und unzählige Berichte“, berichtet Birgit Kantner, die das Projekt betreut. „Im nächsten Schritt wollen wir einfache Verbreitungskarten stellen. ,Vielfalt bewegt’ ist als langfristiges Projekt geplant“, so Kantner.

Marina will weiterhin die Natur am Berg beobachten und dokumentieren. Vielleicht haben Sie ja Lust, sich ihr anzuschließen.

Webtipp: www.citizen-science.at
Zum Original