Tausende Kuhhörner, vergraben auf einem Acker, sollen für eine gute Ernte sorgen. Für Demeter-Landwirte ein gängiges Ritual. Ein Verband zwischen Biolandwirtschaft und Esoterik.
Demeter gilt als nachhaltigste Form der Bio-Landwirtschaft. Doch in der Pandemie ist das Label unter Verdacht geraten Verschwörungsglauben zu nähren.
Ein Acker im Wendland. Nichts erscheint hier ungewöhnlich. Doch jedes Jahr im Herbst vergräbt Demeter-Landwirt Sebastiaan Huismann hier auf knapp 1.000 Hektar Land rund 2.000 Kuhhörner. Gefüllt mit Kuhmist, Quarz oder Kräutern.
Bessere Ernte durch spirituelle Geschenke
Diese sollen laut Demeter-Verband "kosmische Kräfte" sammeln. Im Frühjahr werden sie ausgegraben, der Inhalt mit Dünger verrührt und in homöopathischen Dosen auf dem Feld verteilt. Pflicht-Ritual für Demeter-Bauern.
"Spirituelle Geschenke" - so nennt sie der Verband. Wissenschaftliche Belege für deren Wirkung gibt es nicht, doch für Huismann ist dieses esoterische Ritual wichtiger Bestandteil biodynamischer Landwirtschaft.
Rudolf Steiner und die Anthroposophie
"Auch das Gefühl kann ein Richter über die Wahrheit sein", ein Satz von Rudolf Steiner (1861 - 1925). Begründer der Anthroposophie. Der selbsternannte Hellseher meinte Zugang zu einer geheimen, geistigen Welt zu haben. Steiner entwickelte Methoden, um Erkenntnisse dieser übersinnlichen Welt für alle möglich zu machen - die Landwirtschaft diente dabei als Praxisfeld. 1924 hielt er auf Gut Koberitz bei Breslau seine landwirtschaftlichen Vorlesungen.
Wer war Rudolf Steiner? Über den Erfinder der Waldorfschule, der anthroposophischen Medizin und der Eurythmie.
Mit kosmischen Kräften die Landwirtschaft verbessern - dieses Dogma prägt noch heute die Richtlinien von Demeter. Für Steiner war die Anthroposophie eine "Geisteswissenschaft", deren Wirkung sich belegen ließe - auch in der Medizin. Die Homöopathie sollte den Menschen ganzheitlich heilen.
Wissenschaftsskepsis in der Pandemie
In der Pandemie hat der esoterische Glaube an alternative Wirkmächte der Anthropsophie den Vorwurf eingebracht, Nährboden für Wissenschaftsskepsis zu bieten.
Doch Landwirt Huismann will mit der sogenannten "Querdenker"-Bewegung nichts zu tun haben.
Eine unter Anthroposoph*innen weit verbreitete Haltung, die die Gefahr von Covid-19 relativiert.
Als vergangenes Jahr in Deutschland die ersten Maßnahmen im Kampf gegen das Virus eingeführt wurden, regte sich vor allem in Baden-Württemberg Protest. Selbsternannte Querdenker gingen auf die Straße. Eine Studie hat beleuchtet, wer diese Menschen sind.
Demeter-Gedankenexperiment: "Welt ohne Forschung"
Auch der Demeter-Verband distanziert sich offiziell von der " Querdenken-Bewegung" und "Verschwörungstheorien". Und doch träumte das hauseigene Magazin in einem Text von einer "Welt ohne Forschung" und ohne "zerstörerische Geisteseliten".
Es handle sich dabei um ein "Gedankenexperiment" - so rechtfertigte sich Demeter nach öffentlicher Kritik.
Esoterisches Überwissen: Einfallstor für Verschwörungserzählungen
Der Artikel sei Ausdruck esoterischen Überwissens, das sich evidenzbasierter Wissenschaft überlegen fühle, kritisiert Religionswissenschaftler Matthias Pöhlmann. Gerade in der Pandemie, einer Zeit des Kontrollverlustes, sei das ein Problem.
"Das ist das Einfallstor für Verschwörungserzählungen: Man sagt, wir werden letztlich getäuscht, es muss tiefere Hintergründe geben, und ich bin in der Lage, all das zu durchschauen."
Zwischen hohen ökologischen Standards und Esoterik
Die Praxis von Demeter bietet innovatives Potenzial: Sie verbindet hohe ökologische Standards mit einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen und dessen Umwelt.
Doch die esoterischen Grundlagen der Anthroposophie führen uns letztlich zurück in ein schicksalhaftes Universum, in dem am Ende nicht ein rationaler, wissenschaftlicher Diskurs sondern höhere Mächte des Kosmos über die Zukunft der Menschen entscheiden.