Cornelia Lohs

Journalistin und Buchautorin, Heidelberg

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Artikel

Begegnung mit Römern, Buddha und der Schwarzen Katz | Forum - Das Wochenmagazin

Das Moseltal ist eines der schönsten Flusstäler Europas. Nirgendwo auf der Welt sind Weinberge so steil, kaum sonst wo in Deutschland fügen sich Himmel, Wasser und Land zu einem schöneren Dreiklang zusammen als hier, und unterwegs trifft man auf spannende Geschichten. Die Altstadt von Bernkastel-Kues - Foto: picture alliance / imageBROKER

Langsam tuckert das Schiff auf der grün leuchtenden Mosel dahin. An den Ufern winden sich steile, dicht bepflanzte Weinberge bis zum Horizont hinauf, darunter ziehen verträumte Winzerdörfer mit hübschen Fachwerkbauten vorbei. Ein Traumpanorama, das sich hinter jeder Flussschleife selbst übertrumpft. Goethe, der 1792 auf einem Kahn von Trier bis Koblenz die Mosel abwärts fuhr, schrieb Jahre später: „Ich erinnere mich nur deutlich, dass ich am Ende der Fahrt das schönste Naturbild gesehen, was mir vielleicht zu Augen gekommen." In heutigen Worten würde er wohl sagen: Die Mosellandschaft ist an Schönheit kaum zu toppen!

Das dachten auch die Römer vor über 2.000 Jahren, die kamen, blieben und die Steilhänge der Mittelmosel mit Reben bepflanzten. Auf ihre Spuren stoße ich in Piesport, wo mit dem „Goldtröpfchen" eine der bekanntesten Weinlagen der Welt beheimatet ist. Ihre Rieslinge sind so berühmt, dass auch Bösewicht Goldfinger im gleichnamigen James-Bond-Film es sich nicht nehmen ließ, seinem Gegenspieler 007 ein Piesporter Goldtröpfchen, Jahrgang 1953, zu servieren. Am Rande des Weinbergs steht die größte Kelteranlage der Römer nördlich der Alpen. Die beeindruckende 44 mal 20 Meter große Anlage mit mehreren Kellerräumen, sieben Maischbecken und einem Gesamtfassungsvermögen von 43.000 Litern stammt aus dem 4. Jahrhundert.

Die „Schwarze Katz" in Zell geht auf eine Legende zurück - Foto: picture alliance / chromorange

Eine Moselschleife weiter liegt das Herz der Mittelmosel, Bernkastel-Kues, Geburtsort des berühmtesten Theologen und Philosophen des Spätmittelalters, den als Cusanus bekannten Nikolaus von Kues. Als Philosoph lehrte er als erster die Unendlichkeit der Welt, und in seinem Werk „De pace fidei" philosophierte er darüber, dass Gott die Menschen deshalb in der Verschiedenheit geschaffen hat, damit sie ihn auf verschiedene Weise erkennen und ergo die diversen Formen der Gottesverehrung von Gott gewollt sind. Gewalt gegen Andersgläubige lasse sich deshalb nicht rechtfertigen. Stationen seines Lebens begegnen mir im Geburtshaus des Gelehrten, das heute ein Museum ist.

Große Kelteranlage der Römer

In den Weinbergen über dem hübschen Ort mit den verschachtelten, teils steilen Gässchen, wird einer der berühmtesten Rieslinge der Welt angebaut, der sogar einen akademischen Titel hat: der „Bernkasteler Doctor". Als der schwer erkrankte Erzbischof und Kurfürst von Trier, Boemund II. (14. Jh.), während eines Aufenthaltes auf Burg Landshut den Wein trank und unmittelbar darauf genas, hatte der Wein seinen Namen weg. So die Legende. Bis heute gehört die Weinlage „Bernkasteler Doctor" zu den teuersten der Welt. Bei Auktionen erzielen die Weine Höchstpreise, erfahre ich in der virtuellen Weinwelt des multimedialen Moselweinmuseums.

Zwei gemächliche Schiffsstunden weiter liegt das Jugendstilstädtchen Traben-Trarbach umschlungen von einer der größten und schönsten Moselschleifen. Der florierende Weinhandel machte den kleinen Ort um 1900 nach Bordeaux zum zweitgrößten Weinumschlagplatz in Europa. Der Moselwein war sprichwörtlich in aller Munde und bescherte den Winzern ein Vermögen. Da nun auch die Häuser den Reichtum widerspiegeln sollten, beauftragte man den Berliner Stararchitekten Bruno Möhring mit dem Bau passender Gebäude. In den folgenden Jahren entstanden Jugendstilvillen mit prächtigen Fassaden, Erkern und Türmchen, die das Stadtbild neben historischen Fachwerkhäusern prägen.

Der alte Bundesbank-Bunker in Cochem - Foto: picture alliance / augenklick

Als erstes Gebäude entstand von 1901 bis 1903 das Hotel „Clauss-Feist", heute „Romantik Jugendstilhotel Bellevue", das bald zum ersten Haus an der Mosel avancierte und von seiner Pracht bis heute nichts eingebüßt hat. Zu den illustren Gästen zählten der Baron von Thyssen, der Freiherr von Richthofen, Graf Anhalt und der Schauspieler Heinz Rühmann. Von meinem Erkerzimmer habe ich einen fantastischen Blick auf die Mosel, die Grevenburg hoch über dem Ort und das Buddha-Museum im Jugendstilgebäude der ehemaligen Weinkellerei Julius Kayser auf dem gegenüberliegenden Ufer. Es ist das größte Museum seiner Art in Europa.

Buddha-Museum ist das größte seiner Art in Europa

Die Buddha-Skulpturen, von denen die ältesten aus dem 1. Jahrhundert stammen, kommen aus Burma, China, Indien, Kambodscha, Japan, Laos und Thailand. Die einzigartigen Skulpturen sind der Sammelleidenschaft des Mainzer Unternehmers Wolfgang Preuß zu verdanken, der sie in 20 Jahren zusammengetragen hat. Auf drei Ebenen mit 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentiert sich mir eine faszinierende Sammlung aus den verschiedensten Epochen und Materialien. Die Buddhas sitzen, stehen, liegen oder schreiten; es gibt sie von winzig bis riesig. Die größte Figur ist knapp zwei Meter hoch und wiegt zwei Tonnen. Mein Sammlerherz rast.

Traben-Trarbach - Foto: Cornelia Lohs

Ein paar Kilometer hinter Traben-Trarbach beginnt die Terrassenmosel. Das Moseltal wird nun enger, und die Weinberge sind in extremen Steillagen terrassenförmig angelegt.

Zell ist die Heimat der weltberühmten „Schwarzen Katz". Ihr begegne ich bereits am Ortseingang - dort steht sie übergroß auf einem Fass und prostet mir mit einem Glas Wein in der Pfote zu. Der Name der Weinlage „Schwarze Katz" geht auf eine Legende zurück. Im Jahr 1863 kamen Aachener Kaufleute nach Zell, um ein Fass Wein zu kaufen. Ein Winzer lud die Herren in seinen Keller ein und ließ sie Weine verschiedener Jahrgänge probieren. Am Ende nahmen sie drei Fässer in die engere Auswahl, konnten sich aber für keines entscheiden und wollten deshalb den Probierschlauch noch einmal in eines der Fässer einführen. Da aber sprang die Hauskatze blitzschnell auf das Fass und verteidigte es fauchend. Die Kaufleute waren überzeugt davon, dass darin der beste Wein sein müsse und kauften das Fass. Wenig später erwarben sie sämtliche Weine aus dieser Lage. Den erstaunten Winzer erinnerten sie an die Episode mit der Hauskatze und erklärten ihm, dass sie den Wein in Aachen unter dem Namen „Schwarze Katz" verkauften und dieser bei ihren Kunden großen Anklang fand. So kam der Weinberg offiziell zu seinem Namen. In der Altstadt begegne ich der „Katz" noch einmal auf einem Fass im Brunnen, das sie fauchend verteidigt.

Buddha-Museum in Traben-Trarbach - Foto: Cornelia Lohs

An der nächsten Moselschleife liegt das kleine Fachwerkdorf Bremm, über dem der knapp 380 Meter hohe Calmont mit den steilsten Weinbergen und Terrassen Europas thront. In schwindelerregender Höhe führt der Calmont-Klettersteig durch den steilen Weinberg, der mit einem Neigungsgrad von 65 Grad nicht ganz mühelos zu erklimmen ist. Wer nicht ganz schwindelfrei, nicht sportlich fit und trittfest ist, sollte den Aufstieg nicht wagen. Der grandiose Ausblick auf die Moselschleife entschädigt für die Tortur allemal, heißt es. Fit und trittfest bin ich, aber nicht schwindelfrei, deshalb verzichte ich auf den Ausblick.

Schwindelnde Höhen auf dem Calmont-Klettersteig

In Cochem, dem touristischen Zentrum der Terrassenmosel, befindet sich der Bundesbankbunker, wo sich während des Kalten Krieges 30 Meter unter der Erde fast ein Vierteljahrhundert lang 15 Milliarden D-Mark stapelten. Keiner im Ort wusste etwas von dem Schatz. Da die Bundesregierung im Fall eines Dritten Weltkriegs eine massive Geldentwertung durch eine Falschgeldflut aus dem Osten fürchtete, wurde im Bunker die Notfallwährung gelagert, die im Fall der Fälle die Kaufkraft aufrechterhalten und eine Wirtschaftskrise verhindern sollte.

Kalt wie im Kühlschrank ist es hier unten. Ein langer Gang führt zu der acht Tonnen schweren Tresortür, hinter der sich ein weiterer Gang auftut, zu dessen Seiten sich Zellen mit Drahtgittertüren befinden, hinter denen sich Geldkartons auf Regalbrettern bis zur Decke stapelten. Nach Ende des Kalten Krieges wurden die Kartons samt Inhalt in den Schredder gesteckt. Das schöne Geld! Nur wenige Mitarbeiter der Bundesbank wussten um das „Geldlager". Außer den Prüfern, die alle drei Monate den Geldbestand stichprobenartig kontrollierten, durfte niemand den Bunker betreten. Die Wohnhäuser vor dem Bunker wurden aufgekauft und zur Tarnung als Schulungszentrum und Erholungsheim der Bundesbank ausgebaut. Seit 2016 ist die Bunkeranlage ein Museum. Das ehemalige Schulungszentrum beherbergt heute das „Hotel Vintage", das über einen Geheimgang zum Bunker verfügt.

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