Cornelia Lohs

Journalistin und Buchautorin, Heidelberg

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Unterwegs in Oslo

Rasant fährt die U-Bahn-Linie 1 in weniger als 30 Minuten hinauf zum grünen, im Winter weißen Dach der Stadt. Erst unter, dann über der Erde mit Blick auf prachtvolle Holzvillen und faszinierende Fernsichten. Bekennende Nesbø-Fans zieht es beim ersten Oslo-Besuch unweigerlich auf den Holmenkollen, auf dessen Sprungschanze am Berghang der Thriller „Schneemann" ein furioses Finale findet. Im Buch, nicht in der missglückten Verfilmung.

Die gigantische Holmenkollbakken aus Beton und Stahl ist die älteste Skisprungschanze der Welt und seit dem Umbau 2010 die modernste ihrer Art. Gesprungen wird hier schon seit 1892. Eine Horde Chinesen steuert den Skisprungsimulator an, die größte Attraktion in der Ski-Arena. Jetzt nur schnell mit dem Fahrstuhl hinauf auf den 60 Meter hohen Schanzenturm, bevor die Chinesen mit ihren Selfie Sticks die Aussicht versperren.

Die Startplattform, 417 Meter über dem Meeresspiegel, gibt einen herrlichen Blick über die Stadt und den Fjord frei. Ob die Skispringer die Stadt wohl im Blick haben, wenn sie ihr, wie zuletzt Stefan Kraft, 132 Metern weit entgegenfliegen? Nesbøs „Schneemann" stürzte sich vom Schanzenturm in die Tiefe.

Die zweitbeste Aussicht Oslos bietet der Platz vor dem schnörkellosen Königlichen Schloss, das von einem Parkhügel herab über die Stadt blickt. Da die Royals darin residieren, kann es nicht in seiner Gesamtheit und auch nur im Sommer besichtigt werden.

Der Blick auf die Nobeleinkaufsstraße Karl Johans Gate, die in gerader Linie vom Schloss zum Hauptbahnhof führt, ist allein deshalb den Spaziergang hinauf wert.

Der Schlosspark führt in die Arbins Gate zum Ibsen-Museum. Die ehemalige Wohnung des Schriftstellers wurde 2006 anlässlich seines 100. Todestages originalgetreu hergerichtet. Die Ausstellung befasst sich mit dem Leben und der Dichtung Henrik Ibsens.

Plagt am frühen Nachmittag der Hunger, schafft ein Besuch in der Mathallen Abhilfe. Mit der Tram 12 geht es zum Schouss Plass und von dort zu Fuß ins Vulkan-Viertel, das von 2004-2014 auf einem ehemaligen Industriegelände entstanden ist. Eine restaurierte Fabrik aus dem 19. Jh. beherbergt Oslos erste Markthalle für Lebensmittel mit rund 20 Restaurants, Cafés und genau so vielen Feinkostläden. Mehr Nachhaltigkeit als auf dem Vulkan geht nicht - das Viertel wird mit erneuerbarer Energie versorgt, die vor Ort gewonnen wird, und in der Mathallen werden vorwiegend regionale Lebensmittel aus Bio-Anbau verkauft.

Nur wenige Bus-Minuten sind es vom Schouss Plass zum Munch-Museum in der Tøyengata. All zu lange wird es nicht mehr hier sein, denn gegenüber der Oper entsteht ein gigantischer Museumsneubau in Form eines abgeknickten Glasturms, dessen Eröffnung 2019/20 geplant ist. Im neuen Munch-Museum soll die Gesamtheit der riesigen Sammlung an Gemälden, Zeichnungen und anderen Dingen des Malers ausgestellt werden, die er nach seinem Tod der Stadt Oslo vermacht hat. Derzeit ist sie nur in Teilen in Wechselausstellungen zu sehen, da das alte Museum nicht über genügend Räumlichkeiten verfügt. Wer allerdings auf der Suche nach dem berühmten „Schrei" ist, wird hier nicht fündig. Dieser hängt in der Nationalgalerie in der Universitetsgata.

Eines der weniger schönen Gebäude Oslos ist das Rathaus. Mit seinen Skulpturen mit Szenen aus dem Arbeitsleben erinnert der klotzige dunkelrote Backsteinbau an die realsozialistischen Gebäude in den ehemaligen Ostblockstaaten. In der großen Eingangshalle wird jährlich am 10. Dezember der Friedensnobelpreis verliehen.

Ringsum an den Wänden wird die Geschichte und Kultur des Landes in monumentalen Gemälden dargestellt. Aus dem wandgroßen Fenster am Ende der Halle hat man einen herrlichen Blick über den Hafen und den Oslofjord.

Spektakulärster Blickfang der Stadt ist das Opernhaus aus Glas und Marmor, das am Hafen wie ein Gletscher aus dem Meer ragt. Im Foyer gewährt eine 15 Meter hohe Glaswand Ausblicke auf das Wasser, Rampen und Treppen führen in den komplett mit dunkler Eiche ausgestatteten Großen Saal, der bis auf das Fehlen der Logen in seiner Form und Struktur der Dresdner Semperoper gleicht. Der Besuch eines Konzerts oder einer Oper ist ein einmaliges Erlebnis, denn die Akustik ist fantastisch und bietet den perfekten Ausklang eines erlebnisreichen Tages in Oslo.

Tipp: Der Oslo Pass (24, 48 oder 72 Stunden) gewährt kostenlosen Eintritt in alle Museen, Bäder und unbegrenzte Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel.

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