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Der geschmolzene Kern: die Herausforderung Thelonious Monk – 100 Jahre nach seiner Geburt

.... Monk war offenbar der Ansicht, dass das improvisierende Spiel mit dem Komponierten am besten gelingen könne, wenn seine Mitmusiker es nach Gehör erlernt und verinnerlicht hatten. Was er von ihnen forderte – motivische Vernetzung –  führte er selbst immer wieder vor: 1961, bei seiner ers­ten Europa-Tournee, baute er seine Soli auf der letzten Phrase des vor ihm solierenden Tenorsaxophonisten Charlie Rouse auf, um es anschließend mit dem melodischen Material des Songs zu verknüpfen und am Ende wieder beim Komponierten zu landen – dem minimalistisch abstrakten „Evidence“ , dem karibisch inspirierten „Bemsha Swing“ oder dem verzwickten „Epistrophy“,  das mehr noch als „‘Round Midnight“ zu so etwas wie Monks Erkennungsmelodie wurde. Auch Monks eigenwillige Form des Begleitens – manchmal sehr reduziert, dann wieder geschäftig, mit wuchtig-perkussiven, rhythmisch oft überraschend platzierten Akkorden, Läufen und Gegenmelodien, in Summe fast eine Form des improvisierenden Orchestrierens – hatte die Aufgabe, so Robert Christgaus kluge Deutung, den Solisten an den Song und dessen in der Improvisation „geschmolzenen  Kern“ zu erinnern. Ein Ausdruck, der natürlich auf das berühmteste, schönste und hellsichtigste Zitat anspielt, das bis heute zu Monk und seiner Musik formuliert wurde. Nämlich Whitney Ballietts Satz, dass Monks Kompositionen „gefrorene Monk-Improvisationen“ und „seine Improvisationen geschmolzene Monk-Kompositionen“ seien.