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Italienisches Eis: Nachmittags ist es zu heiß für Eis

Ach, Italien! Es gibt kaum einen schöneren Seufzer, um unserer ewigen Sehnsucht nach mehr Lebensfreude und Genuss Ausdruck zu verleihen. Unsere Sommerkolumne nimmt Sie mit auf die Reise.

Stellen Sie sich vor, Sie sind mit dem Zug nach gereist, sind da, an einem Ort, den Sie noch nicht kennen. Sie hieven den Koffer auf den Bahnsteig, ziehen ihn die Straße entlang. Die Via Garibaldi, Via Dante oder Via Vittorio Emanuele, sie führt vermutlich zum Duomo oder zur schönsten Piazzades Ortes. Wo Sie mittags essen, wissen Sie noch nicht, Sie haben zwar eine Empfehlung, wollen in der Hitze aber nicht suchen. Sie wollen erst mal in Italien ankommen, was tun Sie?

Szenenwechsel: Rom, Sie stehen am Pantheon, der Brunnen plätschert, ein Kellner fragt, ob Sie sich nicht setzen wollen. Sie winken ab, überlegen: Gleich fünf, die Italiener essen ja abends so spät, Sie haben aber jetzt schon ein bisschen Hunger und fürchten, dass Sie es bis zur Carbonara um neun in der Trattoria in Trastevere, wo Sie reserviert haben, nicht ganz schaffen. Was machen Sie?

Wieder ein anderes Mal sind Sie am Meer, der Tag war wunderbar. Sie sind von hohen Felsen gesprungen ( bomba, nicht Köpper), haben einen Seeigel ertaucht, ohne vorher auf ihn zu treten, und sind noch ganz sonnenbeglückt. Gerade waren Sie essen, auf einer Terrasse mit Blick aufs Meer, nur was Kleines, ein primo, Spaghetti allo scoglio und dazu ein Glas Weißwein. Schon fast elf, Sie schlendern in Ihre Unterkunft. Heute Nachmittag, am Meer haben Sie sich ein Eis gegönnt. Was tun Sie?

Genau, die Lösung lautet: Sie gönnen sich noch ein Eis! Denn gelato geht in Italien immer. Auch zweimal täglich. Weil es fast überall fantastisch schmeckt, weil es sich je nach Laune kombinieren lässt. Weil Sommer in Italien ist.

Um herauszufinden, warum die Italiener das - man kann es nicht anders sagen - so überragend hinbekommen mit dem Eis, rufe ich Marco Venturino an. Er gilt als bester gelatiere der Welt. Im Gelato Festival World Ranking, das Wettbewerbsergebnisse der vergangenen elf Jahre sammelte und zusammenzählte, landete Venturino nun auf Platz eins. Ein Anruf in Varazze, in der Provinz Savona in Ligurien.

Buongiorno, Signor Venturino, Waffel oder Becher?

Auf jeden Fall Waffel!

Weil eine Waffel schön ist. Weil man mit ihr spazieren kann und weil man das Eis lecken kann, was es noch genüsslicher macht.

Welches ist die beste Sorte, um herauszufinden, ob eine Eisdiele gutes Eis macht?

Fiordilatte. Weil es der reinste Geschmack ist und die Basis für jedes andere Milcheis.

Und die beste Eiskombination?

Ganz sicher: Pistazie und Fiordilatte. Oder aber klassisch Stracciatella und Nocciola. Oder dunkle Schokolade und Kokos.

Und welche gusti wählen Sie?

Fiordilatte und Bocca di Rosa.

Weiße Schokolade und Rosenwasser. Hab ich erfunden. Unsere nonni hier in Ligurien haben den Kindern früher Rosenwasser gegeben, ein Sirup mit Wasser verdünnt. Um ihnen Gutes zu tun, sie glücklich zu machen. Deshalb ist mein Eis hier in Ligurien so gut angekommen. Es erinnert an alte Zeiten. Der Name ist auch eine Widmung an den ligurischen Sänger Fabrizio de André und sein gleichnamiges Lied.

Ihre Eisdiele in Varazze heißt I giardini di marzo, so heißt auch ein Lied von Lucio Battisti.

Ich habe 1996 mit einem kleinen Eiswagen angefangen, bin über die Promenade am Meer gegangen und habe aus einem kleinen Wagen Wassereis und ein wenig gelato verkauft. Das Lied von Battisti beginnt so: "Il carretto passava e quell'uomo gridava gelati ..." ("Ein Wagen kam vorbei und dieser Mann rief: Gelati!")

Und Sie haben Liguretto erfunden, was ist das?

Ein Akronym aus Liguria und Sorbetto. Ein Sorbet aus Zitronen und Basilikum.

Kennen Sie eigentlich Spaghetti-Eis?

Sì, Spaghetti-Eis! Ich kenne viele Kollegen, die in Bayern arbeiten. Ich verkaufe es hier in Varazze aber nicht. Ich würde sagen, das gibt es in Italien nur in den großen Städten. Vielleicht noch auf Capri oder in Portofino, wo viele Touristen sind.

Wenn Sie nur ein einziges Eis bestellen könnten, welchen Geschmack hätte es?

Fiordilatte.

Haben Sie denn auch verrückte Eissorten?

Ja, zum Beispiel Oro del Beigua, mit Safran, der hier in der Gegend wächst, und Walnüssen.

Zu welcher Tageszeit wird das meiste Eis bestellt?

Abends. Nachmittags ist es zu heiß für Eis. Die meisten kommen abends, nach dem Essen.

Was mögen die bambini am liebsten?

Erdbeere und Schokolade. Aber Puffo mache ich nicht!

Kein Schlumpfeis?

Das ist kein Eis. Das könnte ich nie machen. Es geht gegen alles, wofür ich stehe. Amarena und Bacio gibt es hier übrigens auch nicht. Aber aus einem anderen Grund.

Weil ich es nicht mag und ich glaube, man sollte das machen, was man mag.

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