
Schiedsrichter Wilhelm Bauer auf dem Sportplatz im saarländischen Orscholz. Foto: Oliver Dietze/ DER SPIEGEL
Weil im Saarland ein Schiedsrichter nach einem C-Jugend-Fußballspiel geschlagen wurde, streiken am Wochenende die Referees. Die Maßnahme ist umstritten.
An diesem Wochenende wird es auf den Fußballplätzen im Saarland still bleiben. Der Saarländische Fußballverband (SFV) kündigte einen Schiedsrichterstreik an, nachdem ein Unparteiischer nach einem C-Jugendspiel Ende August von einem Zuschauer attackiert worden war und ins Krankenhaus musste.
Schiedsrichter Sascha Dickmann hatte am 24. August die Partie zwischen Saarschleife und Honzrath-Haustadt geleitet, das die Gastgeber 3:2 gewannen. Dickmann vergab während des Spiels auf dem Platz in Merzig-Brotdorf zwei Rote Karten. Eine halbe Stunde nach Abpfiff soll er ins Vereinshaus gegangen sein, um sich dort den Schlüssel für die Umkleidekabine abzuholen. Dort habe ein Mann ihn von hinten attackiert und bewusstlos geschlagen.
So soll Dickmann den Vorfall nach Informationen des Landespolizeipräsidiums geschildert haben. Der Tatverdächtige streitet den Vorfall ab. Es gibt laut Polizei mehrere Zeugen, die von einem Handgemenge gesprochen haben.
Kritik an Zuschauer
Nur ein Einzelfall? In seinem Statement schreibt der SFV von "vermehrten Gewaltübergriffen auf Schiedsrichter in den letzten Monaten". Die Beobachtungen teilt Wilhelm Bauer, er sagt: "Jeder, der drei Euro Eintritt bezahlt, meint, seinen Frust bei uns Schiedsrichtern ablassen zu dürfen." Der 52-Jährige ist Schiedsrichter und Ausbilder, er trainiert auch eine Bezirksligamannschaft im Saarland. "Die Hemmschwelle ist ziemlich gesunken", sagt er.
Bauer kennt den Schiedsrichter Dickmann gut, die beiden sind Mitglieder derselben Referee-Gruppe im Verband. Was am 24. August während und nach dem Spiel passiert ist, das wisse keiner so genau, sagt Bauer.
Er selbst habe in 37 Jahren keine Gewalt gegen seine Person erfahren. Unmut unter den Zuschauern herrsche schon manchmal - "man trifft ja auch nicht alle Entscheidungen richtig", sagt Bauer, der hauptberuflich als Oberstabsfeldwebel bei der Bundeswehr dient. Aber: "Egal, welche Fehlentscheidung ein Schiedsrichter trifft, er darf trotz aller aufkommenden Emotionen nicht körperlich angegangen werden."
Wer soll Fehlverhalten bestrafen?
Der Vorfall in Merzig-Brotdorf sei kein Einzelfall, sagt Volkmar Fischer, Vorsitzender des saarländischen Verbandsschiedsrichterausschusses. In der Vergangenheit sei es zu zahlreichen Spielabbrüchen aufgrund von Bedrohungen oder Gewalthandlungen gegenüber Unparteiischen gekommen.
Die Spieltagabsage sei ein "symbolträchtiger Akt", sagt Fischer. "Wir wollen keine Vereine bestrafen, wir wollen wachrütteln." Zukünftig müsse der Verband enger mit dem Sportgericht zusammenarbeiten. Man habe zwar ausreichend strenge Richtlinien und Bestimmungen, diese würden in der Regel jedoch nicht ausgeschöpft.
"Ich verfolge eine Nulltoleranz-Politik bezüglich Gewalthandlungen", sagt Fischer. Fehlverhalten von Spielern könne mit Spielsperren von bis zu zwei Jahren bestraft werden und Wiederholungstäter könnten sogar aus dem Verband ausgeschlossen werden.
Bei Zuschauern sei die Sache schwieriger. Fischer bezieht sich auf den Paragraphen 46, der besagt, dass Heimvereine für die Sicherheit eines Schiedsrichters verantwortlich sind. "Das ist selbstverständlich, dass sich der Verein um die Sicherheit von Schiedsrichtern bemühen muss", sagt Fischer. Nur wie die Maßnahmen aussehen könnten, die in Zukunft die Sicherheit der Schiedsrichter gewährleisten sollen - das scheint noch keiner so genau zu wissen.
Gemeinsame Aufgabe von Verband, Vereinen und Referees
Auch Schiedsrichter Bauer sieht die Vereine in der Verantwortung, das Fehlverhalten von Zuschauern härter zu bestrafen. Die Geldstrafen für Vergehen seien in Deutschland seiner Meinung nach häufig zu niedrig. "In Luxemburg war ich auch schon einige Male als Schiedsrichter tätig. Die haben härtere Strafen, und es gibt Schiedsrichterbetreuer für jedes Spiel. Wenn ein Verein trotzdem wiederholt auffällig wird, dann fahren die luxemburgischen Schiedsrichter einfach nicht mehr hin", erzählt Bauer.
Den Streik in dieser Form hält er für nicht richtig, um gegen Angriffe auf Referees vorzugehen. Damit würden alle Vereine bestraft werden, sagt er. "Die Gemüter werden wahrscheinlich noch mehr gegen Schiedsrichter aufgebracht." Vereine, Verband und Schiedsrichter müssten an einem Tisch zusammenkommen und gemeinsam nach Lösungen für das Problem suchen, sagt Bauer. Zur Not müsse jeder Verein einen Schiedsrichterbetreuer abstellen, der den Referee auf dem Platz und im Anschluss an das Spiel beschützt.
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