Haben Thüringer Kripo-Beamte einen prominenten NSU-Helfer gedeckt? Eine Polizistin - familiär mit Michèle Kiesewetter verbandelt - behauptet das und wird dafür verklagt. Seit zwei Jahren versucht das Amtsgericht Gera, den Fall zu verhandeln - bisher vergeblich.
Der Vorwurf, den die Polizistin Anja W. erhebt, hat es in sich. Kripo-Kollegen aus Saalfeld hätten eine Anzeige gegen einen Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" NSU einfach ignoriert. Die Reaktion der angeschuldigten Kollegen fällt nicht weniger hart aus: Sie zeigten Anja W. an, die daraufhin von der Staatsanwaltschaft Gera wegen "falscher Verdächtigung" angeklagt wurde.
Seit zwei Jahren zieht sich dieser interne Krach in der Thüringer Polizei jetzt hin. Brisant ist er nicht nur, weil der NSU-Helfer, um den es geht, mutmaßlich zum engsten Kreis um das Terror-Trio zählte. André K. aus Jena ist nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft einer der Drahtzieher, als sich die Szene in den 90er Jahren formierte. Brisant ist er auch deshalb, weil Anja W. familiär mit der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter verbandelt war.
Das Amtsgericht Gera hat bisher sechs vergebliche Versuche gestartet, den Streit zwischen den Polizisten in einer Hauptverhandlung beizulegen. Das erste Mal setzte es einen Termin im November 2012 an. Er scheiterte wegen eines fehlenden Gutachtens. Das letzte Mal platzte die Verhandlung vergangenen Dienstag, weil dem Gericht eine Aussagegenehmigung fehlte. Gerichtssprecher Siegfried Christ sagte auf Anfrage, drei der vier benötigten Aussagegenehmigungen habe das Innenministerium inzwischen erteilt. Nicht nur Anja W. benötige ein solches Dokument, sondern auch Polizei-Kollegen, die als Zeugen geladen sind. "Es wird einen neuen Termin geben", kündigte er an. Dass auch der scheitert, "das wird nicht passieren", sagte Christ.
Ruhestand mit 44 Mehr zum ThemaDamit wird der interne Krach unter den Beamten in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung ausgetragen werden. Es geht darin nicht nur um den Vorwurf der Strafvereitelung gegen Kripo-Beamte. Anja W. soll ihren Kollegen außerdem vorgeworfen haben, sie hätten Angehörige der rechtsextremen Szene zu falschen Aussagen überredet, um sie aus dem Dienst zu mobben. Tatsächlich war die Beamtin vorübergehend suspendiert. Inzwischen wurde sie mit erst 44 Jahren in den Ruhestand geschickt.
Dabei galt sie zuvor offenbar als erfolgreiche Ermittlerin. 2001 schickte die thüringische Polizei sie als Verstärkung zur bayerischen "Soko Peggy", die das bis heute verschwundene Mädchen Peggy Knobloch aus dem oberfränkischen Lichtenberg finden sollte. Im Jahr darauf gehörte sie der thüringischen Sonderkommission "Goldfasan" an, die mehrere Morde einer internationalen Bande untersuchte. Dabei lernte sie einen Kollegen kennen, mit dem sie eine Lebensgemeinschaft einging - den Patenonkel von Kiesewetter. Diese, ebenfalls Polizistin, war nach bisheriger Erkenntnis das mutmaßlich zehnte Mordopfer des NSU-Trios.
Kiesewetter und Anja W. kannten sich und waren miteinander befreundet. Beide verbrachten zusammen mit ihren Partnern einen gemeinsamen Urlaub in Ungarn.
Quelle: n-tv.de