Veit Roessner (49) ist Ärztlicher Direktor der Klinik und
Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des
Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. Zusammen mit einem
Kollegen publizierte er im Journal of Child Psychology and Psychiatry
einen Artikel über Körpermodifikationen bei Jugendlichen mit
Geschlechtsdysphorie oder körperdysmorpher Störung. Darin widmeten sie
sich der Frage, ob die aktuelle Praxis kohärent und evidenzbasiert ist.
Herr Roessner, ist trans Trend?
Wir haben in der Kinder- und Jugendpsychiatrie immer wieder „Trends“.
Ich bin Experte für Tics und Tourette-Syndrom. Diese Krankheiten waren
lange Zeit kaum medial präsent. Damit gab es auch wenige Informationen
für Betroffene und Eltern. Vor trans oder parallel dazu wurden sie nun
ein „Trend“.
Und warum ist jetzt gerade trans so ein „Trend“?
Wenn man Ursachen von Trends wüsste, wäre man reich. Es sind sicher
viele Faktoren, die zusammenspielen. Bei fast allen Problemen, die wir
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untersuchen, gibt es sogenannte
Gen-Umwelt-Interaktionen. In Ihnen und mir sind sicher auch Gene für
trans oder Schizophrenie. Und wenn bestimmte genetische
Zusammensetzungen mit bestimmten Umweltbedingungen zusammentreffen,
kommen sie eben eher zum Vorschein. Was bei den jugendlichen Patienten
auffällt: In der besonders vulnerablen Phase der Pubertät wünschen sich
viele von ihnen in der heutigen Zeit mehr Halt und auch Vorgaben. In
einem Maße, wo Sie oder ich vielleicht sagen würden: „Brauche ich nicht.
Würde mir auf den Keks gehen.“
(...)
Christine Zinner
Freie Journalistin
Interview