Christine Persitzky

Freie Journalistin, Texterin, Berlin

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Flieger in Kuschelpelz: Durch Deutschland flattern 23 Fledermaus-Arten

Sie wiegt so viel wie ein Stück Schokolade und passt mit angelegten Flügeln ohne Probleme in eine Streichholzschachtel - ganz schön klein ist so eine Zwergfledermaus. Aber auch ganz schön oho! Ein Säugetier mit Kuschelfell, das mit seinen Händen fliegt, im Dunkeln eine Ultraschall-Echo-Ortung zur Orientierung benutzt und dabei Nacht für Nacht bis zur Hälfte seines Körpergewichtes an Insekten verspeist.Weltweit existieren 950 Fledermausarten, unter ihnen die berühmten Vampire, die allerdings nur in Südamerika vorkommen und sich tatsächlich von Blut ernähren. Andere mögen lieber Früchte, größere Arten fressen auch kleine Säugetiere, Frösche und Fische. Manche schlürfen gern Nektar und bestäuben Blüten. Die in Deutschland heimischen Fledermäuse sind allesamt Insektenfresser und lieben Falter, Käfer, Mücken oder Spinnen. Alle 23 Arten stehen unter Naturschutz, einige sind vom Aussterben bedroht - weil es immer weniger Unterschlupfmöglichkeiten und geeignete Winterquartiere gibt, weil Insekten durch Pflanzenschutzmittel und andere Chemikalien belastet sind oder als Nahrungsgrundlage fehlen oder weil Jagdgebiete und Lebensräume zerstört wurden.Den Lebensraum Berlin hat sich die Zwergfledermaus mit ihrer deutlich größeren Verwandten, der Breitflügelfledermaus, geteilt. Während die Große die westlichen Bezirke bevorzugt, ist der Knirps vor allem zwischen den zum Teil noch unsanierten Gebäuden der östlichen Innenstadtbezirke wie Prenzlauer Berg oder Friedrichshain unterwegs. Und weil gerade junge Zwergfledermäuse überaus neugierig und kontaktfreudig sind, kommt es immer wieder zu einem Phänomen, das offiziell als Invasion bezeichnet wird: Auf ihren nächtlichen Streifzügen fliegen die jungen Wilden auch schon mal durchs geöffnete Fenster in die Wohnung -und da wo erstmal eine, zwei oder drei Zwergfledermäuse sind, wollen die anderen natürlich auch wissen, was es da so Spannendes gibt. In kürzester Zeit erkunden dann 20, 40, bis zu 80 Flattermänner das Zimmer - nicht gerade zur Freude der menschlichen Bewohner. In solchen Momenten kommt häufig Carsten Kallasch ins Spiel. Man erreicht den Biologen unter einer Fledermaus-Notrufnummer, oft muss er die Anrufer erst einmal beruhigen: "Fledermäuse sind ungefährlich, übertragen keine Krankheiten, knabbern auch nichts an. Meist verlassen sie auch von selbst wieder die Wohnung, entweder noch in derselben Nacht, oder - wenn es schon kurz vor Tagesanbruch ist - am folgenden Abend." Ohnehin wäre es schwierig, die Winzlinge, die in alle Winkel und Zwischenräume passen, hinter Schränken und Kommoden hervorzuholen. Im Julianenhof im Naturpark Märkische Schweiz dürfen die Fledermäuse gern hereinkommen und auch bleiben. Ende der 90er-Jahre kaufte der Regionalverband Strausberg-Märkische Schweiz des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) das Gutshofensemble in der Nähe von Reichenberg und begann damit, die Gebäude für die Fledermäuse herzurichten. Acht verschiedene Arten sind auf dem Gelände nachgewiesen. Der Dachstuhl des Stalles dient als Wochenstube für die Große Bartfledermaus, der Eiskeller wurde zum Winterquartier. Ein Internationales Fledermausmuseum ist entstanden und ein Fledermausgarten für das Insektenmenü à la carte. "Jede Fledermausart hat ihre bestimmten Lieblingsspeisen", erklärt Ursula Grützmacher, Leiterin des Museums. "Mit verschiedenen Pflanzen lassen sich gezielt Insekten anlocken, die dann den jeweiligen Fledermäusen als Nahrung zur Verfügung stehen." Pollenreiche Blüten von Kreuzblüten- und Doldenblütengewächsen wie Goldlack und Kerbel locken pollenfressende Käfer an -und die sind die Leibspeise der Breitflügelfledermaus. Nachtfalter werden von allen Fledermäusen gern gefressen. 100 tagaktiven Schmetterlingen stehen 900 nachtaktive gegenüber, und die lieben besonders Blumen, die ihre Blüten nachts öffnen und stark duften, wie Nachtkerzen, Phlox und Weidenröschen.Was da nachts so alles kreucht und fleucht kann im Julianenhof am 28. August zur "European Batnight" beim "Nachtfalterkino" beobachtet werden: Eine hell erleuchtete Leinwand lockt Nachtinsekten an, ein Experte erklärt, wer da gerade unterwegs ist. Im Verlauf der Nacht sind das immer wieder andere Krabbler und Flieger. Und mit ein bisschen Glück, kommt vielleicht auch eine Fledermaus vorbei.

Service/Wissenswertes: Die 14. Europäische Fledermausnacht findet am 28. und 29. August im Julianenhof statt. Termine und weitere Infos zu den pelzigen Fliegern: www.batnight.de Das Internationale Fledermausmuseum Julianenhof ist von Mai bis Oktober geöffnet, täglich von 10-16 Uhr: www.fledermausmuseum-julianenhof.de (Anregungen für den fledermausfreundlichen Garten unter "Dateiliste"). Führungen: Tour durch das Tegeler Fließ mit Carsten Kallasch am 4. und 11. September um 20 Uhr, am 18. und 25. September um 19 Uhr. Mehr Infos unter Tel. 79 70 62 87. Fledermäuse im Britzer Garten - Anmeldung und Informationen zur Tour: Tel. 902 77 30 00. Tour in der Zitadelle Spandau am 4. September, Informationen und Anmeldung:Tel. 36 75 00 61.

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