Christine Hutterer, Dr. rer. nat.

Medizin- und Wissenschaftsjournalistin, München

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Hepatitis-C-Impfung: Die Maus steht Modell

Die Rötelmaus © Victor Corman

Die Herkunft des Hepatitis-C-Virus scheint geklärt. Ein Forscherteam hat Anhaltspunkte für seinen Ursprung in Nagern und Fledermäusen gefunden. Damit gibt es erstmals eine Chance auf ein Kleintiermodell für die Entwicklung eines Impfstoffs.

Ein erster Schritt ist geschafft. Die Herkunft des Hepatitis-C-Virus (HCV), oder zumindest eine mögliche Herkunft, ist aufgeklärt. Ein internationales Forschungsteam hat über 4.000 Nagerspezies und fast 3.000 Fledermausarten aus allen Kontinenten auf mit HCV verwandte Erreger untersucht. Die Ergebnisse wurden in PLOS Pathogens veröffentlicht. Ein Schwerpunkt bei der Analyse lag auf Arten, die im Labor gehalten werden können, wie Dr. Jan Felix Drexler vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn erklärte. Denn die Herkunft des Hepatitis-C-Virus, mit dem weltweit über 185 Millionen Menschen infiziert sind, ist nicht nur für die Enzyklopädien einen Eintrag wert, sondern könnte den entscheidenden Anstoß für ein Tiermodell und damit die Voraussetzung für die Entwicklung eines Impfstoffes sein. Und die Wissenschaftler wurden fündig: in Nagetieren und Fledermäusen. „Wir stellen die evolutionsbiologische Hypothese auf, dass sich die Virusgattung im Lauf der Evolution in Kleinsäugern entwickelt hat und dann möglicherweise auf den Menschen oder andere Tiere übergesprungen ist", erklärt Dr. Drexler.

Diese Hypothese ist - auch wenn sie logisch und plausibel klingt - deswegen interessant, weil für die meisten menschlichen Viren kein Tierreservoir bekannt ist, und es damit bisher nicht unbedingt naheliegend schien, in Tieren nach Hepatitis C oder verwandten Viren zu suchen. Die Aufmerksamkeit auf Kleinsäuger als „Speicherort" für menschliche Viren wurde im Jahr 2005 geweckt, als Sars- und Ebolaviren in Fledermäusen gefunden wurden. Hingegen ist schon länger bekannt, dass Pathogene aus Tieren auch Menschen krank machen können. Man spricht von Zoonosen. Eine Literaturanalyse aus dem Jahr 2007 kam zu dem Ergebnis, dass von den derzeit bekannten ca. 1.400 menschlichen Pathogenen 58 Prozent aus Tieren stammen.

Ein langer Weg zum Tiermodell - und zum Impfstoff

Zurück zu HCV: Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn betont: „Die Impfstoffentwicklung ist bisher vor allem daran gescheitert, dass kein einziges Labortier mit Hepatitis C zu infizieren war." Damit, dass nun nachgewiesen wurde, dass Rötelmäuse (Myodes glareolus) ein HCV-verwandtes Virus tragen, besteht erstmals die Hoffnung, ein solches Tiermodell zu bekommen. Die Frage ist jetzt, ob die Rötelmaus, die zwar bereits als Labortier gehalten wird und die man mit verschiedenen Viren infizieren kann, auch für HCV ein gutes Modell abgibt. Die Forscher stehen hier noch am Anfang. In den nächsten Jahren muss überprüft werden, ob tatsächlich in vivo eine Übertragung von Maus zu Maus möglich ist und das Virus damit in den Tieren gehalten werden kann. Dann muss eruiert werden, ob man Chimären aus menschlichen und den Nagetier-HCV Viren herstellen kann, die für die Infektion und die Immunantwort wichtige Bestandteile enthalten. Danach sind Untersuchungen zur Pathogenese und der Erkrankung durch die Viren in den Rötelmäusen notwendig. Bekannt ist immerhin bereits, dass die Viren in Nagetieren ebenfalls eine Infektion der Leber bewirken, ähnlich wie das Hepatitis-C-Virus beim Menschen.

Dann geht es mit der Forschung an einem Impfstoff weiter: „In puncto Impfstoff gibt es zum einen die Herausforderung, einen zu finden, der alle Virusvarianten abdeckt. Das ist auf Grund der hohen Variabilität nicht möglich", erklärt Prof. Dr. Ralf Bartenschlager, Leiter des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Mitautor der Studie. „Das nächste Problem ist die Testung. Da wir mit Ausnahme des Schimpansen kein Versuchstier mit HCV erfolgreich infizieren können, gibt es bisher auch kein praktikables System, um einen Impferfolg zu bestimmen."

Kleintiermodell dringend benötigt

Trotz der vielen Unwägbarkeiten und nötigen Anstrengungen wäre ein Kleintiermodell wie die Rötelmaus hilfreich, um einerseits grundlegendes Wissen über den Pathomechanismus des Virus zu sammeln, andererseits beispielsweise die Antikörperantwort gegen verschiedene Vakzinetypen zu testen. „Die Tatsache, dass man nicht alle Ergebnisse aus Mausexperimenten auf den Menschen übertragen kann, ist eine wichtige Erkenntnis, aber das bedeutet nicht, dass wir keine Mausmodelle brauchen. Im Gegenteil - wir brauchen sie unbedingt", betont Dr. Drexler.

Prof. Dr. Bartenschlager hofft, dass mit den neu entdeckten Virusvarianten, die dem HCV relativ ähnlich sind und die sich wohl in bestimmten Mausarten vermehren können, ein Tiermodell etabliert werden kann. Denn die „normale" Labormaus lässt sich nicht mit HCV infizieren. Dafür gibt es zumindest zwei Gründe: Zum einen benötigt das Virus auf der Oberfläche der Leberzellen bestimmte Rezeptoren und kann nur die beim Menschen vorkommende Variante nutzen; die analogen Rezeptoren der Maus funktionieren nicht. Stattet man Mauszellen mit den menschlichen Rezeptoren aus, so lassen sich diese Zellen infizieren. Der zweite Grund, warum die Maus als Modell für HCV nicht funktioniert, liegt in der Immunantwort. Während HCV gelernt hat, die menschliche angeborene Immunität (innate immunity) auszuhebeln, funktioniert das bei der Maus nicht.

Komplexe Kombinationen aus Virus und Wirt

Bis es soweit ist, dass konkret an Formulierungen für einen Impfstoff geforscht wird und andere Therapien getestet werden können, müssen wir uns also sicherlich noch viele Jahre gedulden. Bis dahin ist die Forschung hoffentlich auch auf anderen Gebieten der HCV-Forschung erfolgreich. Am TWINCORE-Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung versuchen Wissenschaftler im Institut für Experimentelle Virologie von Prof. Dr. Thomas Pietschmann das Betreten der Zelle durch Hepatitis-C-Viren zu verhindern. Dazu versuchen sie einen Claudin-Rezeptor, der in diesem Prozess ein Schlüsselmolekül darstellt, mit Antikörpern zu blockieren. Das funktioniert - jedoch nur dann, wenn das HCV auf Claudin 1 spezialisiert ist und nicht auf einen anderen Claudin-Rezeptor (z.B. Claudin 6) ausweichen kann. „Das hat uns deutlich gemacht, wie viele Variablen es bei der Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus gibt", sagt Prof. Dr. Thomas Pietschmann. „Und das ist wiederum ein ganz wichtiger Schritt zur individualisierten Medizin in der HCV Therapie." Es kommt also nicht nur auf das Virus an, sondern auf die Kombination aus Virus und Wirt.

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