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Immer mehr Cafés bieten aufgeschobenen Kaffee für Bedürftige

Essen. Zweimal zahlen, einmal trinken - und den zweiten Kaffee spenden. Für jemanden, der ihn sich selbst nicht leisten kann. Die Idee des aufgeschobenen Kaffees macht mittlerweile weltweit Karriere. Auch an Rhein und Ruhr gibt es Cafébetreiber, die bei der Aktion mitmachen.

Für Italiener ist es eine alte Tradition, jetzt breitet sich das Phänomen in der ganzen Welt aus. Was als "Caffè sospeso" nach dem zweiten Weltkrieg in Neapel begann, kennt man heute auch als "Suspended Coffee", "Café en attende" oder eben: aufgeschobenen Kaffee. Die Idee ist dabei überall dieselbe: Man kauft einen Kaffee und zahlt zusätzlich für einen weiteren. Den kann sich dann später ein Bedürftiger abholen.

Zum Beispiel bei Hans-Jörg Bertram. Der Düsseldorfer ist noch neu im "Schieber"-Geschäft. Seit etwa vier Wochen kann man in seinem Frozen-Yogurt-Café in der Karl-Rudolf-Straße eine Extraportion bestellen. Kaffee zum Weitergeben sozusagen. Aber auch andere Getränke, Eis, Waffeln oder Crêpes können spendiert werden.

Aufgeschobener Kaffee kommt an

"Wir sind durch Zufall im Internet darauf gestoßen und fanden die Idee so gut, dass wir spontan dachten, komm, da machen wir mit", sagt Bertram. "Es ist doch schön, wenn man was teilen kann."

Das fanden offenbar auch seine Kunden. Immerhin knapp 40 Mal habe er bisher etwas aufgeschoben und auch wieder ausgeteilt - meistens an Menschen, die er schon von der Straße kennt. Einen handfesten Nachweis, dass jemand wirklich bedürftig ist, will Bertram aber nicht sehen. "Das kostet die Leute eh schon genug Überwindung", sagt er.

Kaffeespenden auch in Moers, Kamen und Duisburg

Dass der aufgeschobene Kaffee auch in Deutschland immer bekannter wird, ist vor allem Saskia Rüdiger zu verdanken. Die Schülerin aus Sachsen betreibt seit knapp einem Jahr die deutsche Seite www.suspendedcoffee.de und sucht dort nach Cafés, die sich der Aktion anschließen. "Ich helfe einfach gerne und finde es nicht richtig, jemanden abzustempeln, nur weil er weniger Geld hat", sagt Rüdiger.

76 Cafés stehen mittlerweile auf ihrer Seite. 31 davon kommen aus Nordrhein-Westfalen. An Rhein und Ruhr findet man aufgeschobenen Kaffee außer in Düsseldorf auch bei Brown Sugar in Moers, im Café der Familienbande in Kamen und ab 15. März im Sozial-Café Offener Treff in Duisburg-Neumühl.

Wie die Tradition zum Trend wurde

Durch die sozialen Netzwerke ist das eigentlich alte Prinzip zum Trend geworden. Rund 260.000 Menschen gefällt die englischsprachige Facebook-Seite von "Suspended Coffees". Die Webseite www.coffeesharing.com führt weltweit 194 Orte auf, an denen es etwas Aufgeschobenes gibt. Vor allem seit der Finanzkrise 2008 lebt der geschenkte Kaffee wieder neu auf - gerade in Ländern, die es hart getroffen hat, wie Spanien, Irland oder Bulgarien.

Aber auch in weniger krisengebeutelten Regionen gibt es Bedürftige. Und so hofft Hans-Jörg Bertram, dass er in Düsseldorf bald noch viel öfter hört: "Einen Aufgeschobenen, bitte!"

Christine Holthoff

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