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Gibt es das Christkind? Eine Spurensuche in Düsseldorf

Alle Weihnachtswünsche gehen an das Christkind – so stellen es sich zumindest viele Kinder vor. Schreiben sie wie hier seinen Helfern von der Deutschen Post in Engelskirchen gibt es sogar eine Antwort. Foto: Oliver Berg / dpa

Düsseldorf. Vielen Eltern graut es vor der Frage, ob es das Christkind wirklich gibt. Denn dann müssen sie erklären, dass sie geflunkert haben. Oder etwa nicht?


Eine Frage ließ Virginia keine Ruhe. „Ich bin acht Jahre alt. Einige meiner Freunde sagen, es gibt kein Christkind", schrieb sie vor mehr als 100 Jahren der „New York Sun": „Papa sagt, was in der 'Sun' steht, ist immer wahr. Bitte sagen Sie mir: Gibt es ein Christkind?"


Es ist die Frage, die viele Eltern am liebsten nie gestellt bekämen. Denn seien wir ehrlich: ein wundersames, engelsgleiches Wesen, das an Weihnachten die Geschenke bringt? Schöne Geschichte, aber natürlich gibt es das nicht. Andererseits: Können wir wirklich sicher sein? Eine Spurensuche in Düsseldorf.


Für Theologen ist die Sache klar

„Es gibt ein Christkind, weil Gott als Mensch in die Welt gekommen ist", sagt Michael Hänsch. Und der muss es wissen. Als Geschäftsführer des katholischen Gemeindeverbands ist er schließlich vom Fach. Doch er fügt hinzu: „Weil die Menschen sich darüber freuen, beschenken sie sich an Weihnachten." Wie jetzt? Christkind ja, aber Geschenke bitte selber besorgen?


Vielleicht ist es das, was die Verkäuferin auf dem Engelchenmarkt in der Altstadt so skeptisch macht. Ihren Namen will sie bei diesem heiklen Thema lieber nicht in der Zeitung lesen, behauptet sie doch fest: „Das Christkind ist eine Erfindung." Dass sie ihr Geld mit Keramikfiguren macht, die schwer an ebenjenes blondgelockte Kind erinnern - geschenkt.


Christkind hat ein Imageproblem

Ein paar Straßenecken weiter, schräg gegenüber vom Rathaus, fällt dafür die Konkurrenz ins Auge. Oder zumindest ihre Arbeitsmontur. In knalligem Rot hängt der Mantel des Weihnachtsmanns im Schaufenster eines Souvenir-Shops. Das Christkind würde dort allerdings nicht fündig werden. Warum eigentlich nicht? „Das Christkind ist nicht mehr so in", sagt Werner Stamme, Geschäftsführer des kleinen Ladens. Auch den Grund hat er parat: „Der Weihnachtsmann macht wahrscheinlich einfach besseres Marketing. Er läuft ja auch oft auf den Weihnachtsmärkten rum." Hat das Christkind also einfach nur ein Imageproblem? Braucht es wie der Weihnachtsmann ein finanzstarkes Brauseunternehmen im Rücken, damit man es wahrnimmt?


William Hodali weiß auch so, dass es das Christkind gibt. Er hat es sogar vor sich liegen - zwar nur aus Holz, aber immerhin. „Ohne das Christkind gäbe es kein Christentum", sagt der Standbetreiber am Marktplatz, der passenderweise aus Bethlehem stammt. Nun gut, das Christkind war Jesus, so weit waren wir schon. Aber kann man es nicht auch mal sehen? Hodali schafft das: „Ich sehe es, wenn ich mit der Familie zusammenkomme und eine schöne Zeit verbringe."


Für Rainer Kemberg, evangelischer Gemeindepfarrer, ist genau das der Schlüssel. „Das Christkind findet man nur bei sich", sagt er. Die Suche sei dann erfolgreich, wenn man herausfinde, was einem besonders am Herzen liege. Übrigens: „Viele Geschenke" wäre die falsche Antwort.


Unsichtbar, aber doch irgendwie da

Ist das Christkind also immer da, wo Gutes passiert? Ist es da, als Souvenir-Shop-Chef Stamme einer verirrten Kundin den Weg zeigt, obwohl viel los ist im Laden? Ist es da, als die Verkäuferin auf dem Engelchenmarkt sich Zeit für die Geschichten ihrer Kunden nimmt? „Überall dort, wo man weihnachtliche Erfahrungen macht, ist Gott am Werk", erklärt Diplom-Theologe Hänsch, „und wenn man so will, auch das Christkind."


Eine ähnliche Antwort hat die kleine Virginia bekommen. „Ja, Virginia, es gibt ein Christkind", schrieb ihr 1897 der Kolumnist Francis Church: „Es gibt ihn so gewiss wie die Liebe und die Großherzigkeit und die Treue. Und du weißt ja, dass es all das gibt, und deshalb kann unser Leben schön und heiter sein. (...) Das Christkind lebt, und es wird ewig leben. Sogar in zehn mal zehntausend Jahren wird es da sein, um Kinder wie dich und jedes offene Herz mit Freude zu erfüllen."


Christine Holthoff

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