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Südafrika: Maboneng, die Hipster-Insel von Johannesburg

Nationale und internationale Künstler haben Maboneng und die umliegenden Straßen verschönert. Sie sind eine Art Freilichtmuseum geworden. Foto: Christina Weise

Johannesburgs Innenstadt ist berüchtigt - ausgenommen Maboneng. In dem hippen Viertel von Südafrikas größter Stadt wohnen die Kreativen, flanieren die Touristen, feiern die Reichen. Gleich daneben herrscht bittere Armut.


Auf pastellfarbenen Gartenstühlen zwischen Olivenbäumchen sitzen junge gutgekleidete Südafrikaner und schlürfen Smoothies. Vorbei schlendern Passanten aller Hautfarben, bepackt mit Aktenordnern, Shopping-Taschen und Selfie-Sticks. Und das mitten in Johannesburg, einer der gefährlichsten Städte Südafrikas.


In den 1990er Jahren wurde die Innenstadt der Metropole aufgegeben. Ihr Verfall galt als Folge des Apartheid-Regimes, nach dessen Ende die Unternehmen in die Vorstädte zogen und zahlreiche leerstehende Gebäude hinterließen. Viele wurden daraufhin besetzt, noch heute leben hier Menschen unter meist unwürdigen Bedingungen. Außerdem erfasste eine Welle der Kriminalität Johannesburg und das Zentrum wurde zur No-Go-Area.


Eine Vision


Dann kam Jonathan Liebmann. Der heute 35-jährige Unternehmer begann 2008 in dem verrufenen Stadtteil Gebäude aufzukaufen - und schuf sein eigenes kleines Viertel zwischen Jeppestown und dem Stadtteil Doornfontein. Maboneng nannte er es, was auf Sotho "Ort des Lichts" bedeutet. Als erstes entstand das Kreativzentrum Arts on Main. Hier befinden sich kleine Galerien, Boutiquen, Cafés und Wohnungen.


David Durbach zog 2010 als einer der ersten ein. "Ich wollte nicht mehr in den klassischen Vierteln wohnen, hinter Mauern, getrennt nach Herkunft und Einkommen. Ich habe einen Ort gesucht, an dem die unterschiedlichsten Menschen gut zusammenleben", erklärt der DJ und Inhaber des Plattenladens Afrosynth. "Maboneng hat einen ganz eigenen Vibe, inspirierend und fast schon magisch."


Vor allem sonntags sind die Straßen von Maboneng gefüllt. Dann duftet es auf dem Food Market im Arts on Main nach afrikanischen Gewürzen. Menschen drängen sich durch die kleine Halle an den bunten Ständen vorbei, reichen sich frischgepresste Säfte und buntes Eis. Der Markt ist so beliebt, dass auf der davorliegenden Fox Street ein weiterer Markt entstanden ist.


Von der No-Go-Area zum Hipsterviertel

Hier, im Herzen Mabonengs, kann jeder unbesorgt spazieren gehen, vorbei an den vielen Street-Art-Kunstwerken. Im Rooftop-Öko-Café Living Room einen Kaffee trinken, im NewBrow lokale Designerklamotten shoppen und im PataPata typische afrikanische Gerichte probieren. Große US-amerikanische Ketten sucht man hier vergeblich. "Wir wollen lokale Produkte und Ideen unterstützen", sagt Bheki Dube. Er ist 26 Jahre alt, Unternehmer, Hostelbesitzer und Mitglied der Maboneng Civic Association. "Da die Stadt nichts tut, haben sich einige Bewohner zusammengeschlossen, sagt Bheki. Der Bürgermeister befürworte es. "99 Prozent der Kosten werden privat getragen. Von Straßenreinigung über Landschaftsgestaltung bis zum Sicherheitspersonal."


Das steht hier an jeder Straßenecke, auch bei Bhekis Hostel Curiocity. Das gemütliche Haus liegt am Beginn der Fox Street, am Anfang Mabonengs. Im Hostel trifft Johannesburger Industriedesign die Welt, denn für Backpacker und Alleinreisende ist es die erste Anlaufstelle. Eine Straße weiter sieht es ganz anders aus: zerschlagene Fensterscheiben statt frisch gestrichener Hauswände, Müllberge statt Blumenkübel, Schrottsammler statt Hipster.


Die zwei Gesichter Johannesburgs


"Es wäre eine Lüge zu sagen, dass es keine Spannungen gibt", sagt Bheki, der selbst aus dieser Gegend stammt und Sohn einer alleinerziehenden Mutter ist. "Die gehören aber zu Veränderungen dazu. Wenn wir nicht jetzt mit Projekten wie Maboneng beginnen, tut es niemand und es wird sich nichts verbessern." Günstige Mieten sollen den Menschen die Möglichkeit geben, in Maboneng ihr eigenes Geschäft zu starten. Die Zielgruppe sind junge Unternehmer und Kreative. Die traditionellen Bewohner, die oft in den leerstehenden Häusern wohnen, können sich die Mieten nicht leisten.


"Gentrifizierung ist ein heikles Thema in Südafrika", sagt Robert Chifunyise, Hotelmanager im Hallmark House, einer ehemaligen Diamantpolierfabrik aus den 70ern. Jetzt ist es ein stylisches Gebäude, in dem sich auf jedem Stockwerk etwas anderes befindet: ein Hotel, Apartments, eine Jazzbar, ein Café und bald eine Rooftop-Bar. "In Maboneng gibt es viele leerstehende und nicht-besetzte Gebäude, wie früher das Hallmark House. Hier wurde niemand vertrieben."


Obwohl sich in dem Viertel viel getan hat, der Ruf von Johannesburgs Innenstadt verbessert sich nur schleppend. "Einheimische haben mehr Angst als Touristen. Vor allem Europäer kommen gern hierhin", sagt Robert. "Sie sind es gewohnt, zu Fuß durch Innenstädte zu laufen." In Maboneng können sie es.


Auch nach Sonnenuntergang sind die Straßen in Maboneng gefüllt.

In die Bars und Clubs strömen stylisch gekleidete Menschen, die hier sorglos feiern können und so wirken, als wäre die Wahl des richtigen Getränks ihr einziges Problem. "Maboneng ist ein Vorbild für ganz Afrika. Hier leben wir in einer Gemeinschaft und jeder ist willkommen", sagt Bheki Dube. So einfach ist es leider nicht.


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