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Ilha da Paquetá - Insel der Ruhe in Rio

Die Insel ist Rios friedlichstes Viertel. Foto: Weise

Die kleine Insel Paquetá liegt nur eine Stunde vom Zentrum der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro entfernt. Ohne Lärm und Hektik finden Tagestouristen hier Entspannung in der Natur und Sicherheit vor Überfällen.


Es ist kaum zu glauben, aber die Insel Paquetá ist ein Stadtteil von Rio. Sie sieht aus wie aus dem Bilderbuch mit ihren grünbewachsenen Hügeln, bunten Fischerbooten und rosafarbenen Kolonialbauten. Auf den Lehmwegen dürfen keine Autos fahren, nur ein Krankenwagen und ein Müllauto. Die rund 3000 Einwohner sind meist auf dem Rad unterwegs.


Jedes Wochenende füllen mehr Ausflügler die zwölf Strände und unzähligen Rikschas. Viele bringen selbst ihr Fahrrad mit, wie Manuel Vieira. "Ich fliehe gern auf die Paquetá. In Rio ist der Verkehr chaotisch und es gibt nicht überall Radwege." Große Touren kann der 35-Jährige aber nicht machen, denn die Insel hat nur einem Umfang von acht Kilometern. "Ich genieße es einfach hier zu sein. Du kannst dich treiben lassen, entspannen und musst keine Angst haben, überfallen zu werden."


Strand mit Blick auf den Zuckerhut


15 Kilometer ist die Insel von Rio entfernt. Am Praça XV, mitten im Stadtzentrum, laufen Fähren aus in die Guanabara-Bucht bis zur Paquetá. Das ist bereits seit dem 19. Jahrhundert der Fall, als die Insel zu einer Touristenattraktion wurde und immer mehr wohlhabende Familien hier Villen bauen ließen. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts geriet die unscheinbare Insel in Vergessenheit. Auch während der WM und den Olympischen Spiele kamen nur wenige Besucher.


Langsam wird sie von Einheimischen und Touristen wiederentdeckt. Die meisten kommen wegen der Ruhe, der Natur und dem Panorama. Ein Hotspot dafür ist der Aussichtspunkt Mirante Boa Vista im Parque de Darke de Mattos, denn von hier aus sind Zuckerhut und Christusstatue zu sehen. Aber auch der Park selbst ist sehenswert mit seinen jahrhundertealten Bäumen, schmalen Pfaden und dem Musikpavillon. Einen tollen Blick bietet auch der Pedra da Moreninha. Der riesige Felsblock war in den 1970er Jahren Schauplatz der bekannten gleichnamigen brasilianischen Telenovela. Sein Zugang liegt etwas versteckt am Ende der Praia da Moreninha: nur über eine Leiter und eine Holzbrücke gelangt man hinauf.


Am Fuß des Felsens sitzt Christina Nascimento auf ihrem Strandtuch unter einem Mangobaum. Die zwölf kurzen Sandstrände laden zu ausgiebigem Sonnenbaden ein - ideal für Kinder, da es anders als in Rio vollkommen ungefährlich ist. Auch die Umgebung des Strandes könnte nicht unterschiedlicher sein als an der Copacabana. Statt Hotels, Boutiquen und schicken Restaurants gibt es hier Fahrradverleihe, Tante-Emma-Läden und familiäre Lokale. Bunte Fischerboote schaukeln zwischen vom Meer glatt geschliffenen runden Felsbrocken. Bis vor zwei Jahren wohnte Christina im Zentrum von Rio. "Ich konnte mir nicht vorstellen, an einem Ort zu leben, wo nichts passiert", sagt sie. "Jetzt möchte ich nicht mehr zurück. Hier ist es traumhaft. Jeder kennt sich, die Menschen halten zusammen und wir brauchen nicht einmal unsere Haustüre abzuschließen."


Sonntag ist Samba-Tag


Seit Jahren aber kämpft die Insel gegen den Ruf, dreckig zu sein. Sie liegt in der Guanabara-Bucht, über die besonders im Vorfeld der Olympischen Spiele aufgrund der starken Wasserverschmutzung berichtet wurde. Aber alle Strände der Insel Paquetá wirken sauber, nur Algen färben das Wasser dunkel. "Wir sind hier in der Nähe des zentralen Kanals der Bucht, das Wasser zirkuliert also gut", erklärt Christina.


Die Insel selbst ist nicht der Grund für die Wasserverschmutzung der Bucht, sondern die nahe Metropole Rio. Mehr als 50 Flüsse münden in die Guanabara-Bucht, in ihrem Umkreis leben etwa neun Millionen Menschen, mehr als die Hälfte von ihnen in Armenvierteln. Dort gibt es keine funktionierende Kanalisation oder Wasseraufbereitungsanlagen, sodass einige Flüsse zu offenen Abwasserkanälen werden. Die Gewässer rund um die Insel Paquetá sei aber sauber und hätte eine gute Wasserqualität, beteuern brasilianische Medien, wie kürzlich die brasilianische Nachrichtenagentur EBC. Wem das dennoch zu unsicher zum Baden ist, kann eine Tour mit einem Fischerboot machen oder sich am Praia José Bonifácio eines der bunten Schwan-Tretboote ausleihen.


Danach findet jeder eine Stärkung an der Praia dos Tamoios. Einheimische treffen sich gern in der Cantina da Ilha (Rua Furquim Werneck 70), wo es erschwingliche Hausmannskost gibt. Das Café "Arte&Gula" bietet ausgewählte brasilianische Gerichte und Kultur, da es im Garten des Kulturzentrums "Casa de Artes Paquetá" (Praça de São Roque 31) liegt, in dem regelmäßig Veranstaltungen stattfinden. Das Haus steht am ältesten Platz der Insel, der nach ihrem Schutzheiligen São Roque benannt ist. Hier steht auch eine schöne Kapelle aus dem Jahr 1697.


Auch Samba darf natürlich nicht fehlen - die Paquetá gehört ja zu Rio. Einmal im Monat erfüllen an Sonntagnachmittagen Samba-Klänge die Straßen der Insel und es wird unter freiem Himmel bis in die Nacht gesungen und getanzt.


Ruhig schlafen kann man in einer der vielen kleinen Pensionen der Insel, wie zum Beispiel im Gästehaus "Solar dos Limoeiros". Es hat nur zwei Suiten, aber einen Pool und im eigenem Garten wachsen die Früchte fürs Frühstück. Etwas größer ist die Pension "Arcordes ao Luar" (Praça Bom Jesus do Monte, 15), ein gut erhaltenes Haus aus den 1920er Jahren, das an einem kleinen Platz ganz in der Nähe der Fähre liegt. Die hat Manuel Vieira gerade mit schwerem Herzen betreten. Er muss zurück aufs Festland. Um ihn herum tummeln sich auch einige Musiker mit Samba-Trommeln, die den Abschied von der Insel mit ihren Klängen begleiten.


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