Christina Teuthorn-Mohr

ARD-Journalistin, Kanarische Inseln

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Artikel

Wintersaison auf den Kanaren | tagesschau.de

Auf den Kanarischen Inseln startet die Hauptsaison. Weil die Region kein Riskogebiet mehr ist, macht sich leichter Optimismus breit. Damit das so bleibt, sind Coronatests nun verpflichtend.

Von Marc Dugge und Christina Teuthorn-Mohr, ARD-Studio Madrid, z.Zt. Gran Canaria

Der Strand Playa del Águila im Süden von Gran Canaria ist menschenleer. Vor Björn Dunkerbecks Surfschule zieht sich ein kleiner Junge seinen Neoprenanzug an. Der mehrfache Windsurf-Weltmeister hat in der Corona-Krise umdisponiert: Surfkurse für Anwohner und Kinder haben ihn über Wasser gehalten.

"Wir haben wenig Umsatz gemacht in den letzten sechs Monaten. Man hätte nie gedacht, dass so etwas passieren wird, aber leider ist es doch passiert - und jetzt müssen wir alle nach vorne schauen und sehen, dass es besser wird und nicht wieder schlechter."

Mit der Zeitumstellung hat auf den Kanaren die wichtige Wintersaison begonnen, doch der Tourismus läuft nur langsam an.

"Es sind schon einige deutsche Flieger eingetroffen, auch ein paar deutsche Windsurfer sind schon bei uns in der Saison gelandet, und es soll auch so weitergehen."

Hoffen auf Touristen

Björn Dunkerbeck hofft, dass sich die Insel in den kommenden Wochen wieder füllt. Für die Inselregierung wäre es schon ein Erfolg, wenn wenigstens die Hälfte der Hotels Gäste empfangen würde.Derzeit hat nur ein Bruchteil der Häuser geöffnet - und auch diese sind bei weitem nicht ausgelastet. In einem Dutzend Hotels werden aktuell 4500 Bootsmigranten aus Afrika untergebracht. Die Sammelunterkünfte für sie sind voll, freie Hotelbetten gibt es dagegen derzeit mehr als genug. Das gilt auch für Luxushotels.

"Im Moment sind etwa 30 Prozent unserer Zimmer belegt", sagt Manuel Navarra. Er leitet das 5-Sterne-Hotel RIU Oasis an den Dünen von Maspalomas. In der Eingangshalle scannt eine Wärmebildkamera jeden Gast, der sich die Hände desinfiziert. Der Direktor ist stolz auf die Sicherheitsvorkehrungen - bisher gab es noch keinen Fall von Covid-19 in seinem Haus. Aber ein Hotel zu führen ist dieser Tage eine Nervenprobe.

"Wir wissen nicht, wie es im Dezember oder im Januar aussehen wird. Es wäre leichtsinnig, irgendwelche Zahlen in den Raum zu werfen. Wir planen mehr oder weniger von Woche zu Woche."

Ein schwieriger Spagat

Ein Luxushotel auf der Nachbarinsel Teneriffa war im Februar der erste Corona-Hotspot Spaniens. Touristen durften das Hotel tagelang nicht verlassen, nachdem ein Urlauber aus Italien positiv getestet worden war. Viele Fernsehkameras auch aus Deutschland richteten sich auf das 4-Sterne-Hotel - ein Albtraum für die Reisebranche.

Die kanarische Tourismusministerin Yaiza Castilla will so etwas nie wieder erleben. Ihre Regionalregierung hat mit entschiedenen Schritten in den vergangenen Wochen dafür gesorgt, dass die Covid-Fallzahlen pünktlich zum Saisonstart niedrig sind. Nun hofft sie, dass der Spagat gelingt: Mehr Touristen auf die Inseln holen, aber gleichzeitig die Infektionszahlen niedrig halten. Um das zu schaffen, setzt sie setzt auf drastische Maßnahmen.

"Wenn die Touristen in ihrem Hotel einchecken, müssen sie künftig nicht nur den Personalausweis oder ihre Kreditkarte vorlegen, sondern auch einen Nachweis für einen negativen Coronatest. Dieser darf nicht älter als 72 Stunden sein."

Verpflichtende Coronatests für Einreisende

So steht es in einem neuen Gesetzesdekret, das gerade verabschiedet wurde. Voraussichtlich ab Mitte November sind die Coronatests für Kanarenbesucher Pflicht. Bei Pauschalreisenden werden diese wahrscheinlich häufig die Reiseveranstalter organisieren. Indiviualreisende müssen sich dagegen selbst darum kümmern.

Wer ohne aktuellen Coronatest auf die Kanaren kommt, wird von seinem Hotel an Ärzte oder Kliniken in der Umgebung vermittelt. Die Kosten für den Test muss der Tourist selbst tragen - und sich in Quarantäne begeben, bis das Ergebnis da ist. Eine Vorsichtsmaßname, die nötig ist, so die Ministerin. Sie stellt aber auch klar:

"Nur sehr wenige Touristen haben das Virus mit auf die Inseln gebracht, sie sind für weniger als ein Prozent der Fälle verantwortlich. Viel eher wurde das Virus von Kanariern importiert, als die Grenzen wieder aufgemacht wurden. Manche Leute waren unvorsichtig. Sie haben sich eines nicht klar gemacht: Wenn hier der Tourismus einbricht, bricht alles ein!"

Vier von fünf Jobs hängen vom Tourismus ab

Davon kann sich ein Bild machen wer dieser Tage durch das Touristenviertel Playa del Inglés auf Gran Canaria schlendert. Die Straßen und Cafés sind verwaist und Geschäfte verrammelt, viele werden wohl nie wieder aufmachen. Afrikanische Strandverkäufer suchen verzweifelt nach Kunden. Vier von fünf Arbeitsplätzen hängen auf den Kanaren direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Die Arbeitslosenquote liegt inzwischen bei 25%. Der Inselpräsident von Gran Canaria, Antonio Morales sagt:

"Der Staat versucht, mit Kurzarbeit die sozialen Folgen der Krise abzufedern. Aber wir merken trotzdem, dass viele Familien unter ihr zu leiden haben. Die Arbeitslosigkeit und die Armut wachsen. Das macht uns Sorgen. Deswegen haben wir 500 Millionen Euro auf der Insel investiert, um die Wirtschaft anzukurbeln, für Beschäftigung zu sorgen und die Folgen der Krise abzumildern, die durch den Rückgang im Tourismus ausgelöst wurde."

Die Deutschen haben an der Flaute einen gewaltigen Anteil. Sie sind nach den Briten die wichtigste Touristengruppe für die Inseln. 2,7 Millionen Deutsche sind im vergangenen Jahr auf die Kanaren gereist. Der deutsche Markt war so für ganze sieben Prozent der Wirtschaftsleistung der Inseln verantwortlich. Dann kam Corona - und die Gäste aus dem Norden blieben aus. Zwischen Januar und August reisten eine Million Deutsche weniger auf die Kanaren als im Vorjahreszeitraum.

Deutscher Teil-Lockdown macht Sorgen

Jetzt, ausgerechnet zum Saisonstart, geht Deutschland wieder in einen Teil-Lockdown - und Kanzlerin Merkel appelliert an die Bürger, auf Reisen zu verzichten. Tourismusministerin Castilla sagt:

"Ich denke, die Kanzlerin macht das, um ihr Volk und auch ihre Wirtschaft zu schützen. Das ist sehr verständlich. Die Gesundheit muss Vorrang haben. Aber Deutschland hat ja auch entschieden, die Kanarischen Inseln von der Liste der Risikogebiete zu streichen - ebenso wie Großbritannien. Dafür bin ich sehr dankbar. Das hat uns für die anstehende Hochsaison etwas Luft verschafft."

Brigitte und Leopold Piffl gehören zu den wenigen Gästen, die derzeit auf den Kanaren Urlaub machen. Die Österreicher sitzen mit Mundschutzmasken in der Lobby des Riu-Hotels und sind froh, sich auch in diesem Jahr für den Herbsturlaub unter Palmen entschieden zu haben.

"Es ist nicht wie sonst, es gibt sehr viel weniger Leute. Wir sind hier gut aufgehoben und fühlen uns wohl. Ich glaube, es ist noch sicherer als zu Hause - weil man hier mehr Abstand halten kann."

Die beiden haben vor, noch bis Ende November auf Gran Canaria zu bleiben. Sie wollten nicht erst auf ein Gesetz warten: Um die Inselbevölkerung nicht zu gefährden, haben beide vor der Reise freiwillig einen PCR-Test gemacht.

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