Christina Schmitt

Reporterin und Autorin, Bayerischer Rundfunk/ARD, München

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Corona-Hilfen: Steuerberater am Limit

Um Missbrauch zu vermeiden, können Corona-Hilfen nur von "prüfenden Dritten" beantragt werden - etwa von Steuerberatern. Das bringt den Berufszweig an die Belastungsgrenze.

Unbürokratisch und schnell sollten die Corona-Hilfen an die betroffenen Unternehmen und Selbständigen fließen - so lautete das Versprechen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Für Steuerberaterin Theresia Lindner aus Lenggries in Oberbayern muss das wie ein Witz klingen.

"Extrem komplex" und "extrem vielschichtig" nennt sie die Beantragung der Corona-Hilfen, die sich in "Novemberhilfe", "Dezemberhilfe", "Überbrückungshilfe II" und bald auch in "Überbrückungshilfe III" aufteilen. Diese können Unternehmen und Selbständige beantragen, je nachdem, inwiefern sie vom Lockdown betroffen sind.

Bis auf wenige Ausnahmen müssen sie dafür einen "prüfenden Dritten" beauftragen, also einen Anwalt, Buch- oder Wirtschaftsprüfer - oder eben einen Steuerberater. Die Regierung wollte dadurch nicht nur Missbrauch vorbeugen, sondern auch Falschanträge vermeiden - und dadurch das Verfahren beschleunigen. Doch das zieht sich nun in die Länge - und bringt die Steuerberater in Bedrängnis.

Hoher Aufwand und Rechtsunsicherheit

Auf welche Hilfen jemand Anspruch habe, müsse in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Oft dauere das mehrere Stunden, sagt Steuerberaterin Lindner. Sie habe drei ihrer 30 Mitarbeiterinnen ausschließlich auf das Thema angesetzt. "Was uns zusätzlich stresst, ist: Jeden Tag müssen wir schauen, ob der Antrag, den wir vor einer Woche gestellt haben, noch stimmt oder nicht."

Das Ministerium verschicke immer wieder neue FAQs, also Regeln, wofür überhaupt Hilfen beantragt werden können. Die hätten sich etwa aufgrund von Anpassungen an das EU-Beihilferecht geändert: Demzufolge können die Unternehmen nur noch Verluste erstattet bekommen - und nicht, wie ursprünglich angekündigt, Umsatzeinbußen. "Wir Steuerberater tragen das Risiko für diese Regelungslücken. Das ist das Hauptproblem", sagt auch Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer.

Mandanten müssen eventuell Geld zurückzahlen

"Es kann sein, dass einige Mandanten, für die wir bereits Anträge gestellt haben, eventuell wieder etwas zurückzahlen müssen", sagt Steuerberaterin Lindner. Das seien bislang zwar nicht viele in ihrer Kanzlei; doch auch bei den Anträgen, die jetzt noch gestellt werden, könne sie weitere Regeländerungen vonseiten des Wirtschaftsministeriums einfach nicht ausschließen. Deshalb rate sie mittlerweile den meisten Klienten, so lange wie möglich mit den Anträgen zu warten.

Genau das sei die Krux, sagt Kammerpräsident Schwab: "Einerseits ist es aufgrund der teilweise bestehenden Rechtsunsicherheit ratsam, mit den Anträgen möglichst lange zu warten. Andererseits brauchen die Mandanten oft dringend das Geld, um überleben zu können."

Antragshilfen kosten Steuerberater Zeit und Geld

Dass die Steuerberater viel Geld mit den Anträgen auf Corona-Hilfen verdienen, glaubt Schwab nicht. Theresia Lindner mit ihrer Steuerkanzlei in Lenggries geht sogar noch weiter: Manche Anträge seien für sie eher ein Minusgeschäft. So habe beispielsweise die Prüfung und Antragstellung für einen ihrer langjährigen Klienten, einen Künstler, sechs Stunden gedauert. "Für ihn ist die Situation existenzbedrohend", sagt sie.

Am Ende habe sich herausgestellt, dass er doch nur knapp 2800 Euro Überbrückungshilfe beantragen könne. "Das ist ein Witz! Und von so jemandem - der auch noch über uns den Antrag stellen muss - kann ich doch nicht die vollen sechs Honorarstunden verlangen. Da bleibt ja kaum etwas übrig." Die meisten Anträge seien für ihre Kanzlei nicht rentabel, aber man müsse den Klienten ja auch helfen - schließlich seien diese oft überfordert und "völlig geschockt" von der Situation: "Es ist unsere Verpflichtung, sie in der Krise zu unterstützen."

Annahmestopp für neue Klienten

Anfragen von neuen Klienten allerdings, die über sie Corona-Hilfen beantragen wollen, habe sie schon abweisen müssen, gibt Lindner zu. "Das tut mir sehr leid, aber ich habe auch nicht mehr Personal - und ich wüsste auch nicht, woher ich das bekommen soll." Neben den Corona-Hilfen müsse sie sich noch mit der veränderten Umsatzsteuer auseinandersetzen - und das Tagesgeschäft laufe ja auch noch.

Immerhin hat das Ministerium den Steuerberatern nun einen Aufschub gewährt bei der Abgabe für die Steuererklärungen: sechs Monate. Theresia Lindner ist froh über diese Entscheidung: "Das hilft uns sehr. Und in Krisenzeiten müssen wir eben alle anpacken. Da müssen wir einfach durch und wir werden unseren Beitrag dazu leisten."

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