Christina Maria Bauer

Freie Musikjournalistin, München

1 Abo und 2 Abonnenten
Interview

Musik in vielen Facetten - Paolo Fresu

Erschienen in sonic 3/2019 (Mai-Juni), mit einigen anderen Features und Interviews von mir im selben Heft (Ambrose Akinmusire; Jazzrausch Bigband; Brass Against).


Musik in vielen Facetten - Paolo Fresu


Flügelhorn, Trompete, Effekte - Paolo Fresu nutzt gern eine Vielfalt von Gestaltungsmitteln für seine oft lyrisch-melodische Musik. Er ist seit Jahrzehnten einer von Italiens bekanntesten Jazzern. Wer Vergleiche ziehen möchte, könnte ihn den italienischen Till Brönner nennen. In seiner Karriere hat Fresu mit seinen Kompositionen und Ensembles zahlreiche Auszeichnungen eingeheimst. Um für die italienische Jazzszene etwas zu tun, hat er das Festival Time in Jazz auf Sardinien aufgebaut. Auf den Alben seines 2010 gestarteten Label Tuk Music sind inzwischen etwa 60 Musiker vertreten. Fresu selbst hat zuletzt ein Duo-Album mit Lars Danielsson veröffentlicht. Für dieses Jahr hat er noch viel vor, von Mittelalter-Musik aus dem „Laudario di Cortona“ über eine David Bowie-Hommage bis zu Bellinis Oper „Norma“. Immer wieder versucht der Künstler, gesellschaftlich ebenfalls etwas zu bewirken. Im von einem schweren Erdbeben beschädigten L’Aquila gründete er einen Musik-Marathon, 2018 besuchte er ein Flüchtlings-Rettungsschiff der Hilfsorganisation SOS Méditerranée.


Christina M. Bauer


Am Nachmittag vor einem Duo-Konzert mit dem Schweden Lars Danielsson sprach Paolo Fresu Ende März in München mit sonic.


sonic: Wie kam dein Duo mit Lars Danielsson zustande?

Paolo Fresu: Ich bin ein großer Fan seiner Musik. Er war bei meinem Festival „Time in Jazz“ in Sardinien, und bei zwei anderen Veranstaltungen in Süditalien, die ich musikalisch leitete. Ich habe ihn immer ins Programm gesetzt. Sein „Liberetto“-Projekt ist für mich derzeit eines der besten in Europa. Vor fünf Jahren hat er mich zu einem Sonderkonzert in der Philharmonie in Göteborg eingeladen, zusammen mit Streichern. Letztes Jahr rief er an und fragte, ob wir ein Duo-Album machen. Ich dachte ,Warum nicht, das ist fantastisch’. Im Mai waren wir im Studio und spielten das Album relativ schnell ein. Wir hatten drei Tage Zeit und waren einen Tag früher fertig. Jeder von uns hatte Stücke geschrieben, und wir wussten nicht genau, welche Musik das sein oder wie das passen würde. Aber unsere Vorstellungen waren gleich.


sonic: Hast du früher schon viel in Duos gespielt?

Paolo Fresu: Ich hatte viele Jahre ein Duo mit Bass und Trompete. Das war vor über zwanzig Jahren, mit dem italienischen Bassisten Furio di Castri. Diese Besetzung war allerdings sehr anders als die heutige. Ich habe derzeit noch viele andere, aktuelle Duo-Projekte, zum Beispiel mit Ralph Towner und mit Uri Caine. Das Duo mit Trompete und Bass ist aber wirklich originell. Es gibt kein Harmonieinstrument, so kann man überall hingehen. Wir haben viel Platz. Die Stille ist in dieser Musik eine Herausforderung.


sonic: Stille ist ebenfalls ein Teil der Musik.

Paolo Fresu: Absolut, die Stille ist das Wichtigste. Dann spielt man einige Noten zwischen der Stille. Das sind einfache Melodien, traditionelle schwedische Lieder, sardinische Einflüsse, oder argentinische Songs. Wir können einige wenige Noten dieser Melodie spielen, viel mehr brauchen wir nicht.


(...)