Christina Maria Bauer

Freie Musikjournalistin, München

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Harfenistin Agnès Clément im Porträt | Die Handwerkerin

Agnès Clément © Tysje Severens

Klettern, Malerei und Bildhauerei: Nicht nur auf dem musikalischen Feld betätigt sich die Harfenistin Agnès Clément mit den Händen


Agnès Clément hat eine charmante Art, über die Beziehung zu ihren beiden Harfen zu reden: Die eine klingt etwas ärmer und harmonischer, die andere hat ein „crisperes Timbre". Ihre Eigenheiten haben sie beide. „Manchmal wollen sie nicht, dass ich auf ihnen spiele", konstatiert Clément bei einem Espresso in einem Münchner Café. „Dann finde ich einfach nicht den Sound, den ich möchte." Das ging der 26-Jährigen mit dem kurzen Haar und dem verschmitzten Lächeln auch im letzten September so. Die „Lyon and Healey 23 Gold", sonst mit besonderem Timbre, war absolut nicht in Spiellaune. Clément dachte schon, sie würde keinen passenden Ton mehr herausbekommen. Eine etwas abgewandelte Spieltechnik brachte letztlich doch noch den gewünschten Erfolg. Gerade rechtzeitig, immerhin ging es um den ARD-Musikwettbewerb. Dort heimste die junge Französin nicht nur den ersten Platz ein, sondern auch den Publikumspreis und eine Auszeichnung für die beste Interpretation.

Preise hatte sie zuvor schon viele bekommen, in Frankreich, Italien und den USA, wo sie 2010 den Internationalen Harfenwettbewerb in Bloomington gewann. Clément mag Wettbewerbe. Die Konkurrenz, sagt sie, seien nicht die anderen Musiker, sondern das persönliche Klangideal im Kopf.


Entspannen inmitten von Wäldern, Vulkanen und Lavendelfeldern

Speziell im Fall des ARD-Wettbewerbs konnte sie zudem von einer vierwöchigen Familientournee im Vorfeld profitieren: Cléments vier Schwestern sowie ihr Vater sind Berufs-, Mutter und Bruder Hobbymusiker. Die Atmosphäre der Konzerte hat Clément inzwischen verinnerlicht, schließlich müssen die Freude am Vorspielen und am Publikumskontakt ebenso erlernt werden wie das Harfespiel selbst. Und noch etwas musste sie sich erst aneignen, nämlich das mentale Üben. Dabei geht sie bei Orchesterstücken alle Stimmen im Kopf durch, bis sie Klarheit über jedes Detail gewonnen hat. „Wenn man dann vor dem Orchester sitzt, ist es so, als hätte man Ohren und Augen am Rücken", sagt sie lachend. So fällt das Zusammenspiel leichter, schließlich kommt es auf das Gesamtgefüge an, auf jedes Instrument.


Aufgewachsen in der Auvergne, zeitweise auch in Paris, lebt Clément seit 2013 in Brüssel. Die Harfenistenstelle an der Oper La Monnaie brachte sie dorthin. Doch sobald sie ein paar Tage am Stück frei hat, zieht es sie noch immer in die Auvergne, allein schon wegen der Wälder, Vulkane und Lavendelfelder. „Die Natur ist eine große Inspirationsquelle für Musik. Es gibt eine so große Vielfalt, so viel Leben." Auch fürs Klettern begeistert sich die Französin. Daraus zieht sie neue Energie, um sich mit möglichst vielseitigem Repertoire zu befassen.


Agnès Clément: Keine Zeit fürs Fagott

Das können die kammermusikalischen „Danses" von Debussy sein, opulente Orchester-Romantik mit dem Glière-Konzert, Barockmusik von Scarlatti, aber auch Modernes und Zeitgenössisches, etwa das Konzert von Nino Rota, das sie im Herbst bei ihrem Debüt in der Berliner Philharmonie zusammen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin spielt. Oder aber das erste eigens für sie komponierte Werk, „Un'altra furtiva" von Olivier Massot, bei dem Agnes Clément neben der Harfe auch ihr Zweitinstrument spielt: das Fagott. „Es sind komplementäre Instrumente. Deswegen ist es so interessant, beide zu spielen." In den letzten zwei Jahren stand das Fagott aus Zeitgründen in der Ecke. Dort befinden sich auch noch andere Dokumente ihres vielseitigen Talents, zum Beispiel von ihr angefertigte Gemälde und Skulpturen, wobei sie letztere in aller Regel verschenkt. Irgendwann, wenn sie Zeit hat, würde sie gern wieder etwas selbst anfertigen. Am liebsten eine Harfe.


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