- Live-Kollegengespräch für Deutschlandradio Kultur Fazit über das Symposium im Forum Freies Theater in Düsseldorf (Mod. Sigrid Brinkmann)
- Außerdem Berichterstattung für SRF2 Kultur
Online-Text hier und Audio-Beitrag, hier das Skript:
1_RH: Welcome to the Game Space, ihr seid im Spiel, ihr seid alle Spieler*innen– und da können wir (könnt ihr?) auch nichts gegen machen. (7s)
Robin Hädicke hat seine Diplom-Arbeit über das Spiel mit dem Computer geschrieben. Er ist Kulturwissenschaftler, Mitglied des Performance-Kollektivs machina eX und freier Game-Designer. Auf dem zweiten Symposium zum “Theater der Digital Natives”, das das Forum Freies Theater in Düsseldorf als eine Bestandsaufnahme der Gegenwart veranstaltet, spricht er über “Strategien des Spiels bei machina eX”. Die Performer haben das Point'n'Click-Spiel auf die Bühne gebracht, das heißt: In einem realen Raum, in dem eine fiktive Geschichte spielt, finden Zuschauer als "Gamer" heraus, wie sie zum Beispiel einen Code entschlüsseln oder mit welchem Gegenstand ein Performer eine Tür öffnen kann.
2_RH: Es gibt da aber ne klare Baumstruktur, nach der erzählt wird, also die Spieler*innen entscheiden zwar, ob ne Performerin vielleicht stirbt, dann hat die an dem Abend weniger zu spielen (Lachen) oder (...) ob sich zwei vermählen (...) Es wird die gleiche Geschichte erzählt, aber die Figurenhaltungen verändern sich, also mit diesen Dingen arbeiten wir und darauf müssen die Performer*innen reagieren, und dann müssen sie eben tatsächlich auch auf alles Unvorgehergesehene noch genauso reagieren (21s)
3_Kwastek_Reflexion: Was für mich eigentlich wichtig ist,
sagt die Kunsthistorikerin Katja Kwastek aus Amsterdam,
ist, dass postdigitale Kunst, egal, ob es jetzt Performance oder Bildende Kunst ist, wie ich finde, eine ganz wichtige Rolle spielt, eben weil sie uns zur Reflexion anregen kann über den Einfluss, den digitale Technologien auf unser Alltagsleben haben. (19s)
Katja Kwastek hat eine Performance von machina eX miterlebt, bei der sie mit den anderen zahlenden Gamern viele kleine spielerische Entscheidungen treffen musste - und plötzlich mit der gesamten Gruppe vor der eminent politischen Entscheidung stand, im Spiel einen Wahlbetrug zu decken. Oder ehrlich zu bleiben und damit aber die Nationalisten zu stützen. Unter Zeitdruck mussten die Spieler umschalten und gemeinsam eigene Regeln finden.
ATMO "Mehr Tote als durch Haiangriffe" unterlegen
Das Digitale ist bereits Alltag und lässt sich nicht mehr davon trennen - das meint: "postdigital". Auf der Bühne im Stück "Mehr Tote als durch Haiangriffe" zeigen zwölf junge Menschen zwischen 13 und 23 Jahren performativ, wie sie Selfies machen: Selbstdarstellung noch einmal dargestellt, in zig Varianten, entspannt, selbstbewusst, in einem gewachsenen Bühnen-Ensemble. Zu ihrem Alltag gehören die sozialen Netzwerke genau so wie Theater und Gemeinschaft miteinander.
Es gibt auch ganz simple Parallelen zwischen Netz und Bühne, wie Julia Nitschke einen Tag später todernst in ihrer irrsinnig komischen Lecture-Performance über Pornos und Katzen im Internet feststellt. Im Hintergrund laufen die ganze Zeit Katzen-Bilder und -Filmchen. Man kann sich kaum auf ihren Vortrag, aber auch nicht auf die Pornos konzentrieren - die Katzen ziehen den Fokus.
5 JN: ja, es ist eigentlich egal, wie sehr sich hier diese Menschen Mühe geben, also egal in welcher Konstellation sich hier getroffen wird, (...) - die Katze scheint sich wirklich Nullkommanull dafür zu interessieren, (...) ausgerechnet dann, wenn Menschen versuchen, mal Aufmerksamkeit zu bekommen, scheitert es komplett. (17s)
Das Körperliche, das Innerliche, das Private, das Politische und die Gemeinschaft - die Themen sind alt, aber die Perspektive frischt auf. Die Digital-Native-Generation, die sich jetzt die Bühne erobert, verarbeitet das mit einem beruhigend intelligenten, aufgeklärten Blick: neugierig, kritisch, unaufgeregt und differenziert.
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