In Portugal steht die zweitgrößte Stadt Porto immer ein bisschen im
Schatten der großen Schwester Lissabon. Und ist deswegen touristisch
noch nicht völlig überlaufen.
Ribeira, die Altstadt von Porto, ist malerisch schön und seit 1996 UNSESCO-Weltkulturerbe. Kein Wunder bei der Dichte an historischen Bauwerken, die vielfach aus den Granithängen gehauen wurden, auf dem sie auch stehen. Zwischen den sanierten Häusern am Fuße des Fluss Duoro und dem Torre dos Clérigos am Nordrand der Altstadt liegen 70 Höhenmeter. Deswegen geht jeder Weg in der Altstadt Portos entweder steil bergauf oder bergab. Und wer sich sich einen Tag im Irrgarten der verwinkelten Gassen verliert, entdeckt immer wieder versteckte grüne Flecken mit fantastischer Aussicht über die roten Hausdächer und Kirchen. Auch moderne Architektur ist in Porto präsent. Das hypermoderne Konzerthaus Casa de Musica beispielsweise sieht aus wie ein kubistischer Asteroid, der mitten auf Porto gelandet ist.
Die Bevölkerung Portos wirkt jung, ab nachmittags prägen Studenten das Stadtbild. Sie sehen dabei oft aus wie Komparsen aus einem neuen Harry Potter-Film und J.K. Rowling soll sich während ihrer Zeit in Porto einige Inspirationen für ihre Buchreihe geholt haben. Die langen Roben der Studenten gehören zum Einführungsritual, das Erstsemester durchleben. Auf Anweisung ihrer älteren Kommilitonen verteilen sie wahlweise Umarmungen oder singen anzügliche Lieder im Chor. Für Menschen, die den Potter-Büchern und -Filmen nichts abgewinnen können, lohnt sich der Besuch der Livraria Lello e Irmão. Sie ist mehrfach zu einer der schönsten Buchhandlungen der Welt gewählt worden.
Eine weitere junge Perle Portos ist das STOP Centro Commercial. Es war ursprünglich eine Shopping-Mall, ging aber schnell pleite. Ein paar clevere Musiker mieteten sich einen der verlassenen Shops als Proberaum. Eine Initialzündung für den eigentlich verlassenen urbanen Raum: Mittlerweile ist das STOP wieder voll ausgebucht und eine kreative Mischung aus Musikstudios, Cafés und einem Club. Viele Musiker lassen sich bei ihrer Arbeit gerne zuschauen. Die Kultur der offenen Türen entschädigt für die leicht düster anmutende Atmosphäre des verlassenen Kaufhauses mit seinen defekten Rolltreppen und geschwärzten Schaufenstern.
Auf der anderen Seite des Flusses Duoro liegt Vila Nova de Gaia. Entweder erreicht man es per kurzer Bootsüberfahrt, oder man läuft über die Ponte de Luis I., die unverkennbar von einem Schüler Gustave Eiffels gebaut wurde. In den Kellern von Vila Nova de Gaia lagert der Großteil des Portweins, für den die Region weltweit bekannt ist. Viele Kellereien bieten Führungen an. Am Kai entladen währenddessen die Fischer ihren Fang des Tages und bringen ihn direkt zu den unzähligen Fischrestaurants in Laufweite. Das Nationalgericht Portugals ist der Bacalhau, gesalzener, getrockneter Stockfisch, für den es mindestens so viele Rezepte wie Restaurants gibt.
Bei den jungen Menschen beliebter sind aber Francesinhas. Die Francesinha ist in den 60er-Jahren entstanden, als viele Portugiesen vor der Diktatur nach Frankreich geflohen waren. Von dort brachten sie eine Art verbessertes Croque Monsieur nach Porto. Das klassische Schinken-Käse-Toast wird aufgewertet durch Wurst, Fleisch, ein Spiegelei und danach in einer dicken Soße aus Tomaten, Bier und Senf ertränkt.
Eine gute Grundlage für eine Tour durch das vielfältige Nachtleben Portos, die bei einem Besuch Portos nie fehlen sollte. Die Bars und Clubs konzentrieren sich auf einige wenige Straßen nördlich der Altstadt. Das Angebot ist breit, sehr beliebt sind hispanische Tanzabende. Die entsprechenden Clubs voller Paartänzer, die sich zu Tango, Salsa oder Cachucha bewegen. Und wer sich dafür zu hüftsteif hält, besucht die modernen Electro-Clubs wie das Plano B, in dem häufiger europäische Techno-DJ-Größen die Menge tanzen lassen. Im Morgengrauen geht es heim. Natürlich zu Fuß, treppauf und treppab, durch diese alte und zugleich junge Mini-Weltstadt.
(c) Christian Erll | WDR COSMO 2017
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