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Arbeitslosigkeit: Lieber später jubeln

Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist auf das Niveau des Jahres 2019 gesunken. Nur aus Sicht einer globalen Pandemie ist das eine gute Nachricht. Gefeiert wird trotzdem.

Neues Jahr und gleich ist was los. Bei Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) glühte die Tastatur. Das Arbeitsmarktservice (AMS) präsentierte die Zahlen zur Arbeitslosigkeit 2021, und Kocher feuerte ungewohnt viele Tweets und Retweets raus, die vor allem eines taten: Die neuen Zahlen feiern. Zu Recht. 331.741 Arbeitslose meldete das AMS, 402.078 inklusive der Schulungsteilnehmer:innen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 8,0 Prozent - also 1,9 Prozent weniger als im Vorjahr 2020. So die nackten Zahlen.

Arbeitslosigkeit auf Vorvorjahresniveau

„Mit dieser Erholung hat nach dem Einbruch 2020 niemand gerechnet. Weder die Wissenschaft noch die Arbeiterkammer", ordnet Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der Arbeiterkammer Wien, im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft das Ergebnis ein. Das AMS legt sehr viel Wert auf den Vergleich mit dem Jahr 2019. Also das letzte Jahr, bevor das Corona-Virus für einen wirtschaftlichen Schock gesorgt hat. Damals waren 301.300 Menschen arbeitslos gemeldet (7,4 Prozent), also gerade einmal 30.000 weniger. Und so gibt sich Johannes Kopf, Vorstandsmitglied beim AMS, in der Presseaussendung fast euphorisch: „Mit gutem Rückenwind halte ich es für möglich, dass die Arbeitslosigkeit des Gesamtjahres 2022 unter den Wert von 2019 sinken wird."

Immer noch Massenarbeitslosigkeit

So beeindruckend die Zahlen angesichts der Corona-Krise sind und so nötig ein wirtschaftlicher Erfolg auch war, nachdem 42 Milliarden Euro Staatshilfen ausgeschüttet oder wenigstens bereitgestellt wurden, so sehr sind sie doch mit Vorsicht zu genießen. Denn 2019 als Vergleichsjahr heranzuziehen ist schlicht gefährlich. „Diese Fixierung auf den Vor-Pandemie-Zustand ist der falsche Blick. Weil wir 2019 von einer Vollbeschäftigung sehr, sehr weit entfernt waren. Mit einer Registerarbeitslosenquote von sieben bis acht Prozent kann keine Regierung zufrieden sein. Das ist immer noch Massenarbeitslosigkeit", so Mitter.

Im grenzenlosen Optimismus der Verantwortlichen gehen auch die Langzeitbeschäftigungslosen unter. Deren Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr nämlich um 12,8 Prozent auf 131.642 Menschen angestiegen. Drei Viertel von ihnen sind armutsgefährdet und haben massive gesundheitliche Beeinträchtigungen. „Euphorisch bin ich für 2022 nicht. Vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit wird ein Thema bleiben und sich in den Durchschnittszahlen niederschlagen", glaubt Mitter. Die „Aktion Sprungbrett", in deren Rahmen Langzeitarbeitslose beraten und Unternehmen finanziell gefördert werden, wenn sie eine betroffene Person einstellen, sei unterfinanziert.

Gründe für geringe Arbeitslosigkeit

Ein Grund für den starken Rückgang sei, dass viele Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht mehr nach Österreich kämen, so Mitter. Impfungen gegen das Corona-Virus mit dem russischen Impfstoff Sputnik würden in Österreich nicht anerkannt. Viele Arbeitnehmer:innen aus Ungarn und Serbien beispielsweise seien deswegen gar nicht erst zurückgekommen.

Nur weil man Arbeitsplätze mit schlechten Arbeitsbedingungen nicht besetzen kann, ist das noch kein Mangel.

Auch das ist ein Baustein für die Beschwerden der Gesamtwirtschaft, sie würden keine Arbeitskräfte mehr finden. In manchen Branchen - wie beispielsweise dem Tourismus - werde oft der sogenannte „Fachkräftemangel" beklagt. Eine Kritik, die Johannes Peyrl abtut. Er ist Experte für die Bereiche Arbeitsmarkt und Integration bei der Arbeiterkammer und sagt: „Nur weil man Arbeitsplätze mit schlechten Arbeitsbedingungen nicht besetzen kann, ist das noch kein Mangel."

Eine Zusammenfassung der Geschichte gibt es auf meinem Blog.

Die vollständige Geschichte bei Arbeit und Wirtschaft.

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