Die Gründungsidee kam während des Studiums. Da habe ich mit Reza, einem meiner beiden Co-Founder, zusammen eine Masterarbeit über das Thema VR und AR im Marketing geschrieben und gemerkt: In diesem Bereich gibt es total viel Potenzial und vor allem noch viele Möglichkeiten, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Erst war das eine Gedankenspielerei, aber dann haben wir gemerkt, dass wir im Freundeskreis mit Tobias, unserem dritten Gründer, jemanden haben, der in der technischen Umsetzung genau der Richtige wäre. Wir haben ihm von der Idee erzählt, er fand das auch ganz cool. Dann wurde aus dieser eher spaßhaften Idee immer mehr etwas Ernstes. Wir haben immer wieder zusammengesessen, das Ganze konkretisiert, ausgearbeitet und haben gedacht: „Okay, wir versuchen das jetzt!“
Du bist als Gründerin ja in der Minderheit. Laut „Female Founders Monitor" werden nur rund 15 Prozent der Start-ups von Frauen gegründet. Warum glaubst du, ist das so?Ich glaube, es gibt eine Vielzahl von Gründen, die da mit rein spielen. Einer, der mir am präsentesten ist, ist dass es sehr wenige Vorbilder in dem Bereich gibt. Bei mir wurde in Schule und Studium generell nicht viel über das Gründen als Möglichkeit gesprochen. Man hat seine Infos eher aus den Medien gehabt und da sind mehr diese typischen Start-ups a la Silicon Valley mit irgendwelchen jungen weißen Männern an der Spitze präsent. Das ist das stereotype Bild, das man, wenn man an Gründung und Entrepreneurship denkt, vor Augen hat. Damit identifiziere ich mich zum Beispiel überhaupt nicht. Ich bin weder ein Computergenie noch ein junger weißer Mann! Schon in Schule und Studium sollte man auch weibliche Gründungsgeschichten und -gesichter sichtbar machen. Ich glaube, das ist ein Punkt, der sehr viel helfen würde.
Warum glaubst du, fehlen weibliche Vorbilder bei der Gründung? Woran könnte es liegen, dass sie nicht so präsent sind?
Klar,
zum einen sind wir Frauen hier nach wie vor in der Unterzahl. Aber
gerade bei Events, die organisiert werden, oder in der Medienarbeit,
sind es doch oft eher Männer, die über das Thema berichten. Wenn man zu
manchen Events geht und da dann so ein schönes All-male-panel zum Thema
Gründen vorne hat und man den Veranstalter darauf anspricht, ist die
Antwort: „Wir haben keine Frau gefunden". Dann denkt man: „Dann muss man
da vielleicht ein bisschen mehr Mühe rein investieren." Das ist einfach
so ein wichtiger Schritt. Da ist so viel Bequemlichkeit und Unwissen,
weil sich das erst in den letzten Jahren stärker wandelt und das Thema
„Female Entrepreneurship“ in den Fokus gerät. Früher hat das nicht so
richtig interessiert, es haben sich wenig Leute beschwert und
dementsprechend ging das lange gut. Aber ich bin sehr froh, dass da
langsam Bewegung drin ist und mehr und mehr Veranstalter, Unternehmen
und Co darauf achten, ein bisschen mehr Vielfalt reinzubringen.
Ich habe recht früh anfangen, Social Media dafür zu nutzen und habe bei Twitter oder LinkedIn nach weiblichen Gründerinnen geguckt, die vieles richtig gemacht haben und versucht, mich mit denen zu vernetzen, sodass ich ihnen auch Fragen stellen kann. Man kann sich da viel abschauen, was Tipps und Tricks angeht. Die sind oft super hilfsbereit und Frauen ticken ja in manchen Punkten anders oder man kann sich stärker mit den Herausforderungen, von denen sie berichten, identifizieren.
Es
gab schon paar, von denen ich das Gefühl hatte: Die geben mir richtig
viel mit, sowohl Inspiration als auch Motivation. Tijen Onaran ist da
eines der totalen Vorbilder, weil sie sich mit Global Digital Women
stark dafür einsetzt, Frauen sichtbarer zu machen und dazu sehr
ansprechende Networking-Events veranstaltet, bei denen man in den
direkten Austausch kommt und das ganze Thema Netzwerken wieder etwas
salonfähiger und attraktiver macht. Man hat nicht das Gefühl, sich noch
zu einem Networking-Event schleppen zu müssen. Das war immer eine
unheimlich positive Atmosphäre, bei der es gar nicht darum ging, Kunden
zu gewinnen, sondern für sich selbst neue interessante Kontakte zu
knüpfen.
Das ist auf jeden Fall ein Faktor, mit dem es anfängt. Wenn ich eine Einladung für einen „Unternehmertag" im Postfach habe, holt mich das irgendwie nicht so richtig ab. Ich bin nun mal kein Unternehmer. Das formt einfach Bilder im Kopf desjenigen, der das liest. Man hat automatisch einen Unternehmer vor dem geistigen Auge. Klar, „Unternehmerinnen- und Unternehmertag“ wäre jetzt ein etwas langer Titel, aber da müsste man eben kreativ werden und schauen, wie man das löst. Da gibt es ja verschiedenste Wege.
„Studien konnten nachweisen, dass Investoren die Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Erfahrung und das Wissen der Gründerinnen allein deshalb infrage stellten, weil es Frauen sind", schreiben Cornelia Klaus und Dr. Katja von der Bey im Abschlussreport des „Female Founders Monitor". Hast du das selbst auch schon einmal so erlebt oder von anderen Gründerinnen etwas gehört?Das
Problem ist, dass viele, die die Investitionsgelder verwalten, oder
Business Angels Männer sind, die sich dann doch eher von einer
männlichen Idee abgeholt fühlen, weil das eher in der Filterblase
existiert, in der sie auch sind. Deswegen glaube ich, dass da etwas dran
ist. Wir selbst, dadurch, dass wir komplett eigenkapitalfinanziert sind
und bisher noch keine Investoren mit ins Boot geholt haben, haben da
noch keine Erfahrungen gemacht. Aber da ist das schon immer wieder
Thema. Bei einer Panel-Diskussion hat eine Gründerin zum Beispiel
erzählt, dass sie bei einem Investorengespräch war. Sie hatte den
Praktikanten dabei und der Investor dachte, der Praktikant wäre der
Geschäftsführer und sie wäre die, die mitgekommen ist. Sowas findet wohl
auch immer noch statt und das fand ich schon hart.
Würdest
du denn sagen, dass es in deinem Berufsalltag eine Rolle spielt oder
bei der Gründung eine Rolle gespielt hat, dass du eine Frau bist?
Ich
glaube, das hilft bei uns auf jeden Fall, dass wir dadurch in unserem
Team verschiedene Sichtweisen und Ideen mit einbringen, weil man das
schon an manchen Punkten merkt, dass ich eine andere Perspektive mit
reinbringe. Ich habe das Gefühl, dass unsere ganze Ideenkraft davon
profitiert. Auch bei ganz einfachen Dingen: Wenn wir mit einer 360
Grad-Kamera etwas filmen, wo der Zuschauer mit der VR-Brille das Gefühl
bekommen soll, er erlebt das Ganze und das für eine weibliche Zielgruppe
ist, muss man natürlich darauf achten, dass die Kamera nicht unbedingt
auf Körpergröße 1,90 eingestellt ist, sondern eher ein bisschen
niedriger. Wir hatten das am Anfang einmal bei einem Projekt, dass die
Kamera sehr hoch eingestellt war. Ich habe es mir angeguckt und gemeint:
„Irgendwie fühlt sich das für mich falsch an von der Höhe, das holt
mich dann nicht ganz so ab.“ Wir hatten vor kurzem zum Beispiel auch ein
Entwicklerteam zu Besuch, das uns eine VR-Sprachsteuerungs-App zeigen
wollte. Bei meinen Kollegen hat sie super funktioniert. Dann habe ich
damit gesprochen und auf mich hat sie überhaupt nicht reagiert. Wir
haben dann festgestellt, dass die Entwickler alle Männer sind und das
noch nicht auf weibliche Stimmen eingestellt hatten. Da hat man schon
gedacht: „Euch hätte es auf jeden Fall gutgetan, im Entwicklungsprozess
schon mal früher jemanden dabei zu haben, der da drauf guckt.“ Deswegen
glaube ich, dass ein Gründungsteam in vielen Punkten von einer diversen
Mannschaft profitieren kann. Damit meine ich auch gar nicht nur Mann und
Frau, sondern verschiedene Altersstrukturen, verschiedene kulturelle
Backgrounds.
Es
kommt auf die Branchen an, würde ich sagen. In manchen Branchen, zum
Beispiel in der Tech-Branche, wird schon stark darauf geachtet, habe ich
das Gefühl, dass man das ganze Diversitätsthema mitberücksichtigt. Wenn
es dann um solche klassischen Old Economy/Industriezweige geht, da
fühlt man sich auf den Branchenevents zum Teil wie das Einhorn unter den
sehr vielen Anzugträgern. In Industrie, Mittelstand und Co findet das
Thema da noch nicht so sehr statt wie hier in der Großstadt bei einem
Start-up-Tech-Event.
Eine Studie des Start-up
Verbandes in Zusammenarbeit mit Civey hat herausgefunden, dass es sich
32% der Frauen vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen. Was,
glaubst du, müsste sich ändern, damit mehr Frauen auch wirklich gründen?
Ich
glaube, ein großes Thema ist die Familienplanung. Da entsteht viel
Unsicherheit. Die Unterstützung vom Staat ist noch nicht so da, wie sie
helfen würde. Man weiß als Frau, wenn man Familie plant, ist das ein
Thema, das kommen wird und da brauche ich nochmal mehr Sicherheit, als
wenn ich als Single durchs Leben gehe. Dementsprechend glaube ich, dass
das noch ein Bereich ist, wo es viel Nachholbedarf gibt, um Frauen
sowohl die Ängste zu nehmen als auch die Unterstützung zu bieten, dass
man sowohl die Betreuung gut hinbekommt als auch die Fördermittel.
Sodass man nicht das Gefühl hat, man muss am besten eine Woche nach der
Entbindung wieder am Rechner sitzen. Das ist ein Bereich, der nicht
leicht zu lösen ist.
Ich hoffe, sie werden diverser,
aber ich glaube auch, dass sie diverser werden, weil das Thema immer
mehr in den Fokus rückt. Frauen haben dank Social Media die Möglichkeit,
sich besser zu vernetzen und dafür einzustehen. Ich glaube, früher hat
man sich nicht getraut, in manchen Fällen den Mund aufzumachen, wenn
einem aufgefallen ist, dass man als Frau ausgeschlossen wird oder einem
die Unterstützung fehlt. Jetzt weiß man, dass es da ganz viele andere
gibt, die das Gefühl kennen und das stärkt einen! Ich hoffe, dass das
dazu führt, dass wir Frauen da noch etwas mehr repräsentiert werden. Es
ist aber wichtig, dass das Ganze nicht nur ein Frauenthema bleibt,
sondern dass man die Männer abholt und einbezieht. Es gibt auch
unheimlich viele Männer, die keinen Bock auf Events haben, wo dann reine
Männerrunden sind. Es reicht nicht, wenn nur Frauen dafür kämpfen. Es
ist ganz wichtig, dass da kein Frontenkrieg entsteht, sondern dass man
beide Seiten zusammenführt und versucht, gemeinsam etwas zu ändern.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe über Frauen, die in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft etwas bewegen – entweder dadurch, dass sie sich für andere einsetzen oder dadurch, dass sie sich in Bereichen behaupten, in denen Frauen traditionell unterrepräsentiert sind. Ihnen allen wurde unter anderem die Frage gestellt, welche Rolle ihr Geschlecht in ihrem Alltag spielt. Weitere Gesprächspartnerinnen für diese Reihe waren eine Seenotretterin, eine Altenpflegerin, eine Schiedsrichterin und eine Ärztin von „Ärzte ohne Grenzen“.
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