Hamburg - Vor neun Monaten hatte Marius (38) zum letzten Mal festen Boden unter den Füßen.
Damals stieg der Filipino als Steward an Bord des Frachters „Sonderborg". Dann begann die Coronakrise. Häfen und Reedereien weltweit verboten den Schiffsbesatzungen an Land zu gehen.
In Hamburg erlauben die Behörden grundsätzlich wieder Landgänge, um einen Arzt oder die Seemannsmission „Duckdalben" in Waltershof zu besuchen. Doch vielen Schifffahrtsunternehmen ist die Gefahr zu groß, dass ein Seefahrer dadurch das Coronavirus an Bord bringt.
Ihre Crews bleiben gefangen an Bord! BILD besucht die eingesperrte Crew der „Sonderborg" am Ballinkai in Altenwerder.Der 2. Offizier Carlos (37) lebt seit dem 25. Januar auf dem 158-Meter-Schiff. Zeit für die Heimreise. Carlos: „Aber meine Reederei findet keinen Flug auf die Philippinen. Ich weiß nicht, wann ich nach Hause kann."
Philippinische Seeleute klagen nicht. Der Offizier und sein Steward lächeln das Unglück weg. Marius: „Wir sind das gewohnt ..." Das Leiden der SeefahrerPastor Adelar Schünke (49) weiß, dass die harten Jungs trotzdem leiden: „Die aktuelle Situation ist heftig. Manche bekommen die Geburt ihrer Kinder nicht mit. Auf den Schiffen gibt es fast nichts zu tun."
Der Seelsorger arbeitet für den Seemannsclub „Duckdalben". Vor Corona kamen täglich 100 Seeleute in das gemütliche Haus zwischen A 7 und Eurogate-Terminal. Zurzeit sind es nur 20. Also fährt Pastor Schünke mit einem VW-Transporter raus zu den Terminals.
Er verteilt weltweit gültige SIM-Karten (24 GB Datenvolumen: 60 Euro), damit die Seeleute ihre Familien anrufen können. Und er hört sich ihre Sorgen an: „Sie haben Angst vor dem Virus und um ihre berufliche Zukunft."
Heimflug für 220 FilipinosEine Reederei reagierte bereits auf das Elend ihrer Matrosen. Die Peter Döhle KG (mehr als 400 Schiffe) charterte eine Condor-Maschine, um 220 Filipinos in ihre Heimat zu fliegen.
Doch einige Seeleute haben das gegenteilige Problem. James (27) trat gerade seinen Dienst als 3. Offizier der „Sonderborg" an - mit sechs Monaten Verspätung!
So lange musste er auf einen Flug nach Deutschland warten.