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Journalismus - Das Spiel mit dem Feuer | f1rstlife

Journalisten. Das sind begnadete Wortjongleure, das sind waghalsige Artisten, die den seidenen Faden nicht fürchten. Das sind Künstler, die das Spiel mit dem Feuer lieben und doch ständig Gefahr laufen, sich auf der Bühne der Öffentlichkeit zum Clown zu machen, auf dem Seil die Balance zu verlieren...

Der Beruf des Journalisten zeichnet sich vor allem durch eines aus: Vielfältigkeit. Die Möglichkeiten, im journalistischen Rampenlicht aktiv zu werden, scheinen endlos. Die Medien Print, Online, Radio und Fernsehen locken mit ganz unterschiedlichen Drehbüchern, Perspektiven und Requisiten. Mit Notizblock und Stift, Mikrofon, Video- oder Fotokamera bestens ausgerüstet, stellt sich dann noch die Frage nach dem passenden Ressort. Auch hier ist der angehende Journalist in der Interpretation seiner Rolle völlig frei. Denn ein Sportreporter ist ebenso Journalist wie ein Feuilletonist oder ein Auslandskorrespondent. Politikinteressierte finden auf der Bühne genauso ihren Platz wie Wirtschaftsexperten und Gesellschaftskritiker.

Vom Statisten zur Hauptrolle

Bedeutenden Politikern mit dem Mikrofon vor der Nase rumfuchteln, Unternehmer mit Hilfe ausgeklügelter Fragen in die Enge treiben, aus Krisengebieten brandheiße News liefern - der Journalistentraum schlechthin. Umso schmerzhafter das Erwachen, wenn der junge Künstler bemerkt, dass er nicht über Nacht zum Feuerspucker wird, sondern sich zunächst mit der Flamme eines einfachen Streichholzes zufrieden geben muss. Denn nicht selten beginnt die Karriere des Journalisten als scheinbar unbedeutender Statist im Schatten der großen Akteure, die das Publikum mit weltbewegenden und überregional relevanten Themen in Atem halten. Die Rede ist vom Lokaljournalismus.

Oftmals belächelt und als Kaninchenzüchter- und Schützenfestjournalismus abgetan, entspricht der Lokaljournalismus in der Ansicht angehender Jungjournalisten häufig dem ultimativen Albtraum. Dabei zeichnet sich gerade der Lokaljournalismus durch Nähe zum Leser, ein breites Themenspektrum und die konkrete Auseinandersetzung mit Themen, die überregional relevant sind, aus. Der Lokaljournalist berichtet über Themen, die seine Leserschaft direkt betreffen und bewegen, er ist nicht eingeschränkt in bestimmten Themenbereichen und hat so die Möglichkeit, sich in verschiedenste Ressorts einzuarbeiten und auf diese Weise seinen Horizont zu erweitern. Der Lokaljournalismus sollte als Sprungbrett in die Welt der Seiltänzer und Artisten also keinesfalls unterschätzt werden.

Spot on!

Das Licht im Saal geht aus, die Zuschauer verstummen, plötzlich ist alles totenstill. Ein Millionenpublikum schärfster Kritiker richtet seine Augen auf die Bühne, wo ein einsamer Artist vor Aufregung zitternd Wörter durch die Luft wirft, um sie kurz darauf elegant wieder aufzufangen. Er vollführt ein wahres Kunstwerk, das die Zuschauer in andächtiges Staunen versetzt. Ein aufdringlicher Lichtkegel folgt dem Artisten jedoch auf Schritt und Tritt, ein Katz-und-Maus-Spiel, das die Maus nur verlieren kann. Hungrig wartet die Katze auf einen Fauxpas der Maus, um sie räuberisch zu jagen, sich dann über sie herzumachen und ihre Beute dem gierigen Publikum vorzuwerfen, das scheinbar nur darauf gewartet hat, den Artisten samt seiner Worte in der Luft zu zerreißen. Was folgt, ist ein Riesentheater. Die Arbeit eines Journalisten ist öffentlich.

Ein kleiner Fehltritt hat da erheblich weitreichendere Konsequenzen, als der Sturz des Seiltänzers, dessen Aufprall ja von dem unter ihm aufgespannten Netz gedämpft wird. Den Journalisten fängt niemand auf. Er trägt die alleinige Verantwortung für eine fehlerhafte Recherche, ein Leck in der Berichterstattung, selbst für einen noch so nebensächlichen Rechtschreibfehler muss er seinen Kopf, beziehungsweise seinen Namen oder sein Kürzel, hinhalten. Doch nicht nur für ihre Fehltritte stehen sie gerade, auch für ihre Meinung. In der Satire, der Glosse, dem Kommentar verspotten, überspitzen, kritisieren sie. Das passiert - anders als es dank des Internets zum traurigen Normalfall geworden ist - nicht anonym sondern namentlich gekennzeichnet. Ein Journalist bietet so eine große Angriffsfläche, die kurz nach Veröffentlichung durch Leserbriefe, bösartige Kommentare und abfällige Bewertungen ausgenutzt wird. Die Beiträge sind dann meist - wer hätte es anders erwartet - anonym.

Der Vorhang fällt nicht

Der Feierabend eines Journalisten ist ungefähr so unumstößlich wie eine Pyramide aus Spielkarten. Da muss nur ein brisantes Lüftchen aufkommen und schon liegen die Pläne für den Abend in Schutt und Asche. Sensationen, Skandale und Katastrophen halten sich nun mal nicht an geregelte Arbeitszeiten. Aktualität hat hier oberste Priorität. Eine gute Story hält sich in der Regel nicht viel länger als einen Tag und dieses Verfallsdatum gilt es einzuhalten. Ebenso sitzen Druckfristen und Abgabetermine dem Journalisten im Nacken. Eine Impfung gegen die oftmals selbstdiagnostizierte Infektion Schreibblockade ist also durchaus zu empfehlen, denn in diesem Beruf ist Kreativität auf Knopfdruck gefragt.

Die Macht der Worte

Journalisten wissen Worte, Fotos und Filmsequenzen gekonnt einzusetzen, um den Leser, den Zuhörer oder Zuschauer zu erreichen und zu bewegen. Ausdrucksstarke Phrasen, beeindruckende Bilder und einprägsame Szenen brennen sich in das Gedächtnis ein und sind nicht unerheblich bei der Meinungsbildung in der Gesellschaft. Die Medien tragen sogar maßgeblich zur Aufklärung in unserer Gesellschaft bei, die Bezeichnung als vierte Gewalt im Staat ist demnach nicht untertrieben. Ein Journalist sollte sich dieser Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortungbewusst sein und sie mit Ehrfurcht und Stolz meistern. Schließlich ist es genau das, was das Spiel mit dem Feuer ausmacht. Die Unberechenbarkeit, das Außergewöhnliche und die unbeschreibliche Anziehung, die von den lodernden Flammen ausgeht.

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