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"Best of Kleinanzeigen": Wie es wirklich ist...Memeseiten zu führen

Meine Meme-Seiten habe ich im Vollrausch nach einer durchzechten Nacht gegründet. Heute sind sie mehr als 50.000 Euro wert. Nach einer Party im März 2018 scrollte ich durch meinen Facebook-Feed. Jemand hatte einen Screenshot von einer bekannten Verkaufsplattform geteilt: einen witzigen Dialog zwischen Verkäufer und Interessent. In der Kommentarspalte schrieb jemand, die Idee tauge als eigenständige Meme-Seite, was man vielleicht mit Witzesammlung im Internet übersetzen kann. Stimmt, dachte ich - und gründete den Kanal "Best of Kleinanzeigen". Erst auf , dann auf Instagram. In der Schule war ich immer der Klassenclown, ich liebe es, Leute zum Lachen zu bringen. Mittlerweile sind das mehr als 750.000 Leute, so viele folgen mir.

Ungefähr zwei Stunden investiere ich jeden Tag in die Seiten. Meine Follower senden mir Dialoge zu, die sie auf besagter Verkaufsplattform geführt haben. Ich baue aus den Screenshots dann Memes. Ich gehe nach Bauchgefühl: Was findet der Mainstream lustig?

Das Konzept funktioniert gut, weil viele ihre eigenen Erfahrungen wiederfinden. Zum Beispiel die verschiedenen Verhandlungstypen: Es gibt die Unverschämten, die wollen, dass man den gebrauchten Schrank liefert und aufbaut, und das alles für den halben Preis. Dann gibt es die Knauserigen. Die verhandeln hitzig um 50 Cent. Aber der Verkäufer hat auch seinen Stolz und knickt nicht ein. Am Ende scheitert der Deal an Centbeträgen. Außerdem kommen Memes gut an, die die Spießigkeit der Deutschen aufs Korn nehmen: von Leuten, die sich über Belangloses aufregen und ungefragt Ratschläge verteilen.

Auch kritische Themen funktionieren. Zum Beispiel hat jemand mal die Erdgaspipeline Nord Stream 2 "zum Verschenken" inseriert. In der Anzeige stand "zum Selberabbauen". Memes bieten einen niedrigschwelligen Zugang zu politischen Inhalten, sie zeigen Missstände mit Humor auf. Für junge Menschen sind sie ein leichterer Einstieg als ein seitenlanger Artikel in einer Zeitung.

Man darf nicht unterschätzen, wie kostbar die Reichweite ist. Andere Seitenbetreiber wollen sich die Taschen voll machen, die verkaufen ihre Seite oder teilen unseriöse Werbung. Ich nutze meine Kanäle, um Charity-Aktionen für Menschen ohne Reichweite zu organisieren. So konnten wir etwa für eine Frau mit Behinderung einen Therapiehund finanzieren. 2021 habe ich mit meinen Seiten insgesamt 100.000 Euro Spenden gesammelt.

Eines Tages werde ich meine Seiten als ein humoristisches Vermächtnis im Internet hinterlassen. Früher haben Menschen Gemälde gemalt, die jetzt im Museum hängen. Heute bauen sie halt Memes. Das ist auch Kunst.


Marcel Rolf, 30, ist Immobilienverwalter. Er verrät bloß seinen Künstlernamen.

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