Carolina Pfau

Freie Journalistin, Hamburg

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Interview

Experten-Interview Zoonosen

Experten-Interview

„Das Haustier im Bett ist eine Gefahr“

24.02.2021 – Kann man sich bei seinem Haustier mit einer Krankheit infizieren? Und wie wurde eigentlich das Coronavirus auf den Menschen übertragen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet der Zoonosen-Experte Stephan Ludwig.

„Zoonosen sind ein globales Problem“, sagt Stephan Ludwig von der Universität Münster. Er ist Mitglied der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen.©privat

Herr Ludwig, was sind Zoonosen und was machen Zoonosen-Forscher genau?

Zoonosen sind Krankheiten, die von Tieren auf Menschen oder von Menschen auf Tiere übergehen können. Es handelt sich um Erreger, die eine krankmachende Wirkung bei der jeweils anderen Spezies haben. Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Gebieten beschäftigen sich mit Zoonosen. Wenn wir zum Beispiel Viren haben, wie das Corona-Virus, dann braucht es Virologen, die daran forschen.

Es braucht aber auch Zoologen, die sich mit der entsprechenden Tierspezies auskennen. Es braucht Tiermediziner, die nach den Erkrankungen beim Tier schauen und es braucht Klimaforscher, die untersuchen, wie es durch Klimaveränderungen zur Ausbreitung von Tierspezies und damit auch zur Ausbreitung der damit zusammenhängenden Erreger kommen kann.


Bekannte Beispiele für Zoonosen sind die Pest, die von Ratten übertragen wird oder Malaria von Mücken. Welche Krankheitserreger können noch von Tieren auf uns übertragen werden und wie passiert das?

Bei der Pest wird zwar immer die Ratte als Überträger genannt, aber eigentlich sind es die Flöhe der Ratten, die auf den Menschen übergesprungen sind. Bei der zoonotischen Übertragung gibt es sehr oft solche sogenannte „Vektoren“, die die Erreger übertragen. Bei Malaria sind die Mücken diese Vektoren. Sie übertragen den Malaria-Erreger von Tieren auf Menschen oder von Mensch zu Mensch. So funktioniert es auch beim Zika-Virus oder dem Denguefieber. Das Hantavirus dagegen wird von Rötelmäusen übertragen. Es gibt auch bakterielle Erreger, die von Tieren auf uns überspringen können. Das Kuhfieber ist so ein Erreger, der von Rindern auch auf Menschen übertragen werden kann.

Daneben gibt es auch eine Reihe von Erregern, die über tierische Lebensmittel übertragen werden. Beispielsweise das EHEC-Bakterium, das durch kontaminierte Lebensmittel aufgenommen wird. Man geht davon aus, dass knapp zwei Drittel aller neuen und wiederkehrenden Erreger aus dem Tierreich kommen und Zoonosen sind.


Könnte ich mich bei meinem Haustier mit einer Krankheit anstecken bzw. könnte ich mein Haustier anstecken?

Ja, das kann man. Es hat zum Beispiel vor ein paar Jahren in Großstädten Infektionen mit einer bestimmten Pockenart gegeben, die man sich nicht erklären konnte. Es hat sich herausgestellt, dass es Tierpocken waren, die von „Schmuseratten“ auf den Menschen übergegangen waren. Das zeigt: Natürlich haben wir gern unsere Schmusetiere, aber Tiere können leider Krankheiten übertragen. Man sollte darauf achten, dass ein Hund zum Beispiel nicht unbedingt mit im Bett schläft. So gern man das auch hat, es ist einfach eine Gefahr.


Bei vielen verschiedenen Tieren konnten Corona-Viren nachgewiesen werden. Auch das SARS-CoV-2-Virus, das die aktuelle Pandemie ausgelöst hat, gehört dazu. Die Viren kommen oft bei Fledermäusen vor. Wieso gerade dort?

Fledermäuse sind eine besondere Spezies. Sie haben in ihrem Immunabwehrsystem eine gewisse Toleranz: In ihrem Körper existieren oft ganz verschiedene Erreger, die aber nicht zwangsläufig krank machen.
Von daher ist das ein großes Reservoir an Möglichkeiten, aber es ist wahrscheinlich nicht die Spezies, die direkt den Menschen ansteckt. Die paar Fledermäuse, die irgendwo in einer Höhle hängen, machen eigentlich überhaupt nichts aus. Sie führen nicht dazu, dass eine größere Übertragung stattfindet. Man geht eher davon aus, dass Schuppentiere oder Marderhunde sich angesteckt und das Virus auf den Menschen übertragen haben.


Es wird vermutet, dass das Corona-Virus auf Märkten weitergegeben wurde, auf denen Wildtiere verkauft wurden. Klingt das für sie plausibel und lässt sich das eindeutig beweisen?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es so passiert ist, da auf den Märkten viele Lebendtiere verkauft werden. Es sind dort sehr viele Menschen und sehr viele Tiere auf engstem Raum und das braucht es für den Übergang vom Tier auf den Menschen. Man kann es aktuell nicht hundertprozentig belegen, weil die Märkte geräumt wurden und auch die Aufzeichnungen nicht so genau sind, aber wir gehen stark davon aus.


Der Bundestag hat über drei Anträge zur Neuregelung von Haltung und Handel von Wildtieren beraten, um Pandemien durch Zoonosen zu verhindern. Was ist Ihre Einschätzung?

Im Großen und Ganzen bin ich dafür, den Handel zu begrenzen. Ein komplettes Verbot vom Handel mit Wildtieren und dem Betrieb von Pelzfarmen sehe ich allerdings kritisch. Verbote führen immer dazu, dass etwas heimlich weiterbetrieben wird. Und illegale Tiertransporte können nicht mehr richtig kontrolliert werden; dann reicht es schon aus, wenn ein Tier infiziert ist und die Krankheit breitet sich unkontrolliert aus. Auch Pelzfarmen sind sicherlich nicht schön und ich kenne niemanden, der unbedingt Pelze braucht. Aber dort hat man wenigstens die Möglichkeit, die Tiere mit Hygienemaßnahmen zu schützen. Generell sind Aufklärung und vor allem Hygiene zusätzlich wichtige Ansatzpunkte.


Was wäre Ihr Vorschlag, um Pandemien durch Zoonosen in Zukunft zu verhindern oder zumindest abzuschwächen?

Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass Pandemien eine globale Bedrohung sind. Das hat man bei der aktuellen Pandemie zuerst unterschätzt. Wir sollten die Überwachung in den Ländern erhöhen, in denen es zu solchen Ausbrüchen kommt. Man kann natürlich nicht jedes Huhn und jeden Marderhund testen, aber wenn beispielsweise Wildtiere aus Gegenden kommen, in denen es große Fledermaushöhlen gibt, dann kann man gezielt ein Auge darauf werfen.

Und die Länder müssen besser zusammenarbeiten. Wir müssen erkennen, dass es eine multinationale und globale Herausforderung ist, die wir gemeinsam angehen und bekämpfen müssen. Die Pandemie hat auch gezeigt, welche Relevanz Zoonosen-Forschung wirklich hat. Es gibt bereits gute Unterstützung, aber mit mehr Investitionen in die Forschung können wir solche Erreger frühzeitig erkennen und untersuchen.


Mehr über Prof. Dr. Stephan Ludwig

Prof. Dr. Stephan Ludwig ist 58 Jahre alt und kommt aus Gießen. Er hat an der Universität Gießen Chemie und Virologie studiert und in Molekularbiologie sowie Virologie promoviert. Heute ist der Virologe neben seiner Arbeit als Universitätsprofessor Mitglied der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen, sowie Standortleiter der Geschäftsstelle am Institut für Virologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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