Zehn Jahre ist die Reaktorkatastrophe in Fukushima und damit die Entscheidung für einen Ausstieg aus der Atomenergie her. Doch der Rückbau dauert.
von Carolin Henkenberens und Sonja Harbers
Heute vor zehn Jahren geschah die Reaktorkatastrophe in Fukushima. Ein Tsunami in Japan hatte auch das Atomkraftwerk erfasst, die Kühlsysteme fielen aus, es kam zu mehreren Kernschmelzen. Zehntausende Menschen verloren ihr Zuhause. Bis heute kämpft Japan mit den Folgen.
In Deutschland führte der Vorfall zum Entschluss, doch früher aus der Atomenergie auszusteigen. Als erste Reaktion wurden nach wenigen Tagen die ältesten Meiler vorübergehend abgeschaltet. Mit dabei war auch das Kernkraftwerk Unterweser südlich von Bremerhaven zwischen Brake und Nordenham. Das Kraftwerk steht seither still und soll abgerissen werden.
Wie weit ist der Rückbau vorangeschritten?Von außen sieht alles aus wie immer: Die graue Betonkuppel ist noch da und auch der schmale Turm, der ein wenig an ein Minarett erinnert, ragt weiter in die Wolken. Dabei wird das Atomkraftwerk Unterweser seit drei Jahren zurückgebaut. "Der Rückbau spielt sich komplett in der Anlage ab, und zwar maßgeblich in dem Kuppelgebäude, nämlich dem Reaktorgebäude. Das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht verändern", erklärt Almut Zyweck, Sprecherin von Preussen Elektra. Das Unternehmen gehört zu EON. Der Konzern hat das Atomkraftwerk mehr als 30 Jahre lang betrieben.
Wie läuft so ein Rückbau ab?Knapp 500 Personen sind insgesamt an dem Rückbau beteiligt. Am Anfang wurden unter anderem die hochradioaktiven Brennstäbe entfernt. Seit Februar 2019 ist die Anlage laut Preussen Elektra brennstofffrei. "Das heißt, wir haben alle Brennelemente und einzelne Brennstäbe gesichert ins Brennelemente-Zwischenlager am Standort gebracht", so Sprecherin Almut Zyweck. Sie stehen nun auf dem Kraftwerksgelände, verpackt in stählernen Castor-Behältern und umgeben von einer ein Meter dicken Wand. In einem nächsten Schritt haben die Mitarbeiter angefangen, den Reaktordruckbehälter zu zersägen, in dem die Brennstäbe einmal steckten. Dazu nutzen die Arbeiter herkömmliche Kreis- und Bandsägen. Gesägt wird unter Wasser, es soll die Mitarbeiter vor der gefährlichen Strahlung schützen. Diese Arbeiten, bei denen sogenannter schwach- bis mittelradioaktiver Abfall entsteht, sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Auch dieser Müll kommt in ein Zwischenlager auf dem Gelände. Dafür wurde eine weitere Halle gebaut. Zuständig für dieses Zwischenlager ist eine bundeseigene Gesellschaft.
Bleibt der Müll dort?Zunächst ja, der Müll auf dem Gelände des AKW Unterweser werde noch speziell behandelt, erklärt Jonas Wingert, Sprecher der bundeseigenen "Gesellschaft für Zwischenlagerung": "Vor ihrer Einlagerung werden diese schwach- und mittelradioaktiven Abfälle – wie wir sagen – konditioniert, das bedeutet, dass sie eben sehr stark komprimiert werden, behandelt, gepresst, verdampft, um das Ganze eben möglichst platzökonomisch einlagern zu können." Ein Endlager für diesen Müll ist aber schon gefunden: ein stillgelegter Schacht in Salzgitter. Um die Menge an radioaktivem Müll kleiner zu halten, behandeln Mitarbeiter im Kraftwerk ausgebautes Material mit Hochdruckreinigern oder Stahl-Strahlern. Der radioaktive Teil kommt ins Zwischenlager, der Rest könnte auf Hausmülldeponien kommen. Die Brennstäbe werden wohl noch viele Jahre auf dem Gelände des Kraftwerkes bleiben, denn dafür ist noch kein sicheres Endlager gefunden.
Ist das nicht bedenklich, dass ein Teil im Hausmüll landet?Darüber gibt es Streit. Bürgerinitiativen kritisieren, es werde nur eine bestimmte Strahlen-Art gemessen. Sie befürchten, dass der Müll noch radioaktiv und somit gefährlich ist. "Das geht natürlich bei so einem Deponiekörper ins Grundwasser, ins Umlaufwasser, das geht in die Weser, das geht an die Badestrände, das geht eigentlich überall in den Kreislauf", befürchtet etwa der Sprecher einer Bürgerinitiative aus Brake, Harry Grotheer. Finanzielle Interessen stünden im Vordergrund, sagt er: "Es ist wirtschaftlich für die Energiekonzerne natürlich sehr lukrativ, das auf eine Hausmülldeponie zu bringen, als dass man es vor Ort entsorgt. Und das ist leider politisch unterstützt und gewollt." Preussen Elektra widerspricht: Es gebe viele Messungen und Laboranalysen, daher habe man ein vollständiges Bild über die Strahlenmenge. Man halte alle gesetzlichen Vorgaben ein. Und die seien so ausgelegt, dass sich weder Anwohner noch Mitarbeiter auf der Deponie Sorgen machen müssten. Im Streit um Grenzwerte hat ein Umweltschützer sogar Klage gegen das niedersächsische Umweltministerium eingereicht. Im April treffen sich die Beteiligten zum Vermittlungsgespräch.
Wie lange wird der Rückbau insgesamt dauern?"Insgesamt sind wir ganz gut im Plan beim Rückbau des Kernkraftwerks Unterweser", sagt Preussen-Elektra-Sprecherin Zyweck. "Wir gehen derzeit davon aus, dass wir bis 2032 circa mit dem nuklearen Rückbau, also dem Rückbau des Kontrollbereichs, fertig sein können." Danach rücken die Abrissbagger an: Kuppel, Turm und alles andere verschwindet. 2034 soll die Anlage dann abgerissen sein. Zurückbleiben wird der strahlende Müll. Denn die große Frage, wohin die strahlenden Brennstäbe kommen und ob gereinigte Reste auf Deponien dürfen, dürfte sich noch hinziehen.
Was kostet der Rückbau des Atomkraftwerks?Der Energiebetreiber selbst spricht von Kosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Preussen Elekra erhält jedoch vom Bund eine Entschädigung, weil die Atomkraftwerke früher abgeschaltet werden mussten. Insgesamt sind das 42,5 Millionen Euro für alle Atomkraftwerke. Auch der Betrieb der Zwischenlager ist teuer: Pro Jahr kostet der Betrieb der Lager an der Unterweser laut Bundesumweltministerium rund 16 Millionen Euro. Finanziert wird das aus einem Fonds, in den EnBW, EON, RWE und Vattenfall nach dem Atomausstieg 24 Milliarden eingezahlt haben.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. März 2021, 19:30 Uhr
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