Carmen Molitor

Journalistin, Kommunikationsreferentin, Köln

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Die Institutsleiterin

Ute Klammer leitet das Institut für Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen Foto:T. Range

Eine wissenschaftliche Karriere schloss Ute Klammer als junge Studentin aus. Zu starr erschienen ihr die Strukturen. Heute ist sie Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Sozialpolitik und leitet an der Universität Duisburg-Essen gleich zwei wissenschaftliche Einrichtungen: das renommierte Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) und das Deutsche Institut für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (DIFIS), das gerade aufgebaut wird.

Ute Klammer gefällt vieles an ihrer Arbeit: die Forschung zu Themen wie Rente, Gleichstellung und soziale Sicherung voranzubringen, ihre Studienergebnisse in die Politik und die Öffentlichkeit zu tragen und junge Wissenschaftlerinnen zu fördern. Manchmal frustrieren sie die Uni-Strukturen allerdings. „Es läuft so einiges völlig falsch", analysiert Klammer. Als Direktorin muss sie sich ständig mit administrativen Hürden herumschlagen wie etwa einem komplizierten Vergaberecht. Sie würde dem Uni-Nachwuchs gerne verlässliche Perspektiven bieten, doch die befristeten Projekte und Vorgaben des Gesetzgebers machen es ihr unmöglich.


„Wenn man zur Sozialpolitik, zu sozialer Verteilung und zur Armut forscht, dann wird man einfach politisiert"


Klammer selbst wurde als junge Wissenschaftlerin von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert, als sie an der Uni Frankfurt bei Richard Hauser in Volkswirtschaft promovierte und Mitglied seines Forschungsprojekts „Alterssicherung in der Europäischen Gemeinschaft" wurde. Während der Arbeit an ihrer Dissertation, die sie mit summa cum laude abschloss, wuchs ihr politisches Bewusstsein. „Wenn man zur Sozialpolitik, zu sozialer Verteilung und zur Armut forscht, dann wird man einfach politisiert", sagt sie. Das verstärkte sich noch, als sie die Uni verließ und als Referatsleiterin für Sozialpolitik am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung arbeitete. Sie befasste sich mit einer Vielzahl von Themen, legte neue Schwerpunkte auf Gender-Fragen, die Probleme erwerbstätiger Mütter und arbeitsmarktpolitische Konzepte, die Flexibilisierung der Arbeit und Sicherheit der Beschäftigung vereinen. Klammer wurde als Nachfolgerin der damaligen Geschäftsführerin Heide Pfarr gehandelt. Um sich aussichtsreich bewerben zu können, brauchte sie einen Professorentitel. Dafür verließ sie die Stiftung und übernahm zunächst eine Fachhochschulprofessur an der Hochschule Niederrhein. Der Hans-Böckler-Stiftung blieb sie als Vertrauensdozentin verbunden, aber zurück kehrte sie nicht.


„Ich war die erste deutsche Prorektorin, die für Diversity-Management zuständig war"


2008 wechselte sie stattdessen an die Uni Duisburg-Essen und widmete sich einem ihrer Herzensthemen: der Gleichstellung. „Ich war die erste deutsche Prorektorin, die für Diversity-Management zuständig war und dieses Thema seitens der Hochschulleitung in einer großen Universität verankert hat", erzählt Klammer.



Dass ihr das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen wurde, hat sie mehr berührt, als sie von sich selbst erwartet hätte. Es ist vor allem eine Wertschätzung ihrer wissenschaftlichen Politikberatung. So leitete sie unter anderem die erste Gleichstellungskommission und übernahm 2022 den Vorsitz des Sozialbeirats der Bundesregierung - als erste Frau, seit Konrad Adenauer das Gremium 1958 einführte.


„Bestimmte Themen treiben wir schon lange wie Kühe durchs Dorf, und es tut sich nichts"


Ihr Rat als Wissenschaftlerin wird gehört, aber manchmal vermisst Ute Klammer die Konsequenzen: „Bestimmte Themen treiben wir schon lange wie Kühe durchs Dorf, und es tut sich nichts", ärgert sie sich. Einer dieser Dauerbrenner: Minijobs. Die Ampelkoalition will die Verdienstgrenzen dafür sogar erneut anheben. „Wo wir doch seit vielen Jahren, belegt durch empirische Studien, zeigen, dass der Minijob-Sektor eine Falle vor allem für verheiratete Frauen ist!" Sie wird da noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Das ist sie gewohnt.


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