Patrick liebt Anna. Anna liebt Patrick. Aber liebt Anna die Umwelt genug? "Ich habe keinen Kinderwunsch, weil ich nicht glaube, dass die Menschheit den Dreh richtig hinbekommt in den nächsten 20 Jahren", sagt Patrick am Telefon. Er sitzt am Steuer eines geliehenen Bullis auf der Fahrt von Bielefeld zum Bodensee, neben ihm seine Freundin Anna. "Ich glaube, dass Anna mich da eher verstehen kann als andere." Im Bulli ist es kurz sehr still. "Das Thema ist für mich schwierig", sagt Anna. Schweigen. "Weil für mich eigentlich seit 25 Jahren klar ist: Ich kriege Kinder und Enkel." Anna und Patrick sind seit knapp zwei Jahren ein Paar. Patrick benutzt festes Shampoo und isst kein Fleisch. Anna kauft gerettete Lebensmittel und gärtnert gern. Beide besitzen kein Auto. Beide wählen grün. Doch Anna sagt: "Patrick ist viel radikaler grün als ich."
Wie nachhaltig wir leben, wie wir uns ernähren, wie bewusst wir konsumieren, kurzum wie sehr jemand den Klimaschutz zu einem Teil seines Lebens macht, ist ein Wert, der in Partnerschaften und beim Dating an Bedeutung gewinnt. Beziehungen zerbrechen, wo der eine immer Schnitzel will und die andere Vegetarierin ist, wo die eine den Müll trennt und es der anderen egal ist. Und Beziehungen werden geschlossen, wo die beiden eine gemeinsame Vorstellung vom nachhaltigen Leben teilen.
Dass immer mehr Menschen ihre Partner nach ihren ökologischen Überzeugungen aussuchen, lässt sich dort belegen, wo viele unterwegs sind: im Internet. Die Kontaktbörse ElitePartner hat unter ihren Mitgliedern festgestellt, dass sich knapp die Hälfte der Paare regelmäßig über Nachhaltigkeit und Umweltschutz austauscht und ein Zehntel regelmäßig darüber streitet. Die Dating-App OkCupid hat sogar einen Filter entwickelt, mit dem Benutzer Klimaleugner herausfiltern können, sie werden ihnen bei der Suche dann nicht mehr angezeigt. Und als Tinder seinen Jahresbericht zum Nutzerverhalten 2021 veröffentlichte, stach ein Trend heraus: Die Nutzerinnen und Nutzer fügen umweltbezogene Informationen in ihre Selbstbeschreibung ein. Im Kommen ist besonders die Beschreibung "plant-based", also pflanzliche Ernährung und Lebensweise.
Auch Moien lebt vegan, ein kleines Sämling-Emoji auf seinem Profil bei Tinder verrät ihn. Es ist das Erkennungszeichen der Veganer: "Die Leute, die sich damit auskennen, wissen, was das Zeichen bedeutet", sagt er. Moien ist 31 Jahre alt und lebt in Berlin. Auf seinem Tinder-Foto sitzt er mit Bomberjacke, schwarzer Hose, Schnurrbart und Sonnenbrille auf einer Decke im Park und raucht. "Wenn dein Date auch vegan isst, macht das vieles einfacher. Sonst hast du ein Date, und sie sucht ein Restaurant aus, wo es nichts Veganes gibt", sagt Moien. Wenn er Frauen treffe, die alles essen, könne er davon auch andere Sachen ableiten. "Oft war deren moralischer Kompass nicht so richtig eingestellt." Die Probleme kommen dann heimlich durch die Hintertür: Jemand will unbedingt fliegen, statt den Zug zu nehmen. Kauft ständig neue Klamotten. Wählt die falsche Partei.
Green Dating: Nicht immer gleich grünIst die moralisch-ökologische Einstellung beim Daten also entscheidend? "Auf jeden Fall", findet Moien. Darauf setzen auch Dating-Plattformen für Umweltbewusste. Beim "Green Dating" suchen die Menschen eben Partner mit ähnlichen ökologischen Überzeugungen. Wer grün daten will, hat die Auswahl: Von Grazer und Green Living Singles über Veggly und You Me Veggie bis zur US-Plattform Green Singles ist die Vielfalt groß. Und dann ist da noch die hierzulande mit führende Firma Gleichklang.
Sucht man Antworten auf die Frage, ob die Menschen heute unter Öko-Gleichgesinnten eher die Liebe finden, kommt man um den Gründer von Gleichklang kaum herum. Guido Gebauer, der mehr deutsche Ökos zusammengebracht hat als jeder andere, sitzt sechs Zeitzonen und mehr als 11.000 Kilometer entfernt an seinem Schreibtisch in Kambodscha. Seit 15 Jahren betreibt der Pionier seine Partnerbörse für ökologisch nachhaltige Singles. Gebauer, 50 Jahre, schmales Gesicht, helle Haut, hervorstehende Wangenknochen, ruft aus seinem Arbeitszimmer in Phnom Penh per Video zurück. Erst ist er gut zu sehen, dann friert das Bild ein - Verbindungsprobleme. Vor knapp sechs Jahren ist er mit seinem Lebenspartner ausgewandert, weil er sich den Programmieraufwand der Website in Deutschland nicht mehr leisten konnte. Gebauer stellt seine Kamera aus und spricht dafür in doppelter Geschwindigkeit. Es gibt viel zu sagen.
Der studierte Psychologe wertet nämlich alle Daten über seine Community statistisch aus, analysiert sie und feilt am Algorithmus. 99,5 Prozent seiner Mitglieder wollen die Zerstörung der Umwelt stoppen, 96,8 Prozent die Ausbeutung von Tieren überwinden. Die Hälfte der Gleichklang-Mitglieder lebt demnach fleischlos oder will es künftig tun. Ist das da im Netz die Welt von morgen?
Auf eine Rundmail von Gebauer, ob einige der Mitglieder ihre Geschichte erzählen wollen, antworten über 30 Paare. Das Redebedürfnis ist so groß, dass viele nach wenigen Minuten Telefonat Einblick in die intimsten Details ihrer Beziehung geben. Evas* Stimme klingt am Telefon rau und abgeklärt. Sie sucht seit über 20 Jahren immer wieder nach Partnern, anfangs über Annoncen in der Zeitung, zuletzt drei Jahre auf Gleichklang unter dem Namen "Gartenlöwin". Eva ist 65 Jahre alt und freiberufliche Sachverständige, sie lebt in Berlin-Moabit. Vor einem Jahr hat es wieder mal geklappt. Gartenlöwin hat ihren "Wurzelwolf" gefunden, der gern Holz sammelt und daraus Kunstwerke baut. Jetzt ernten die beiden gemeinsam Obst und Gemüse auf Wurzelwolfs Waldgrundstück in Potsdam, gehen eisbaden, machen Picknick am Lagerfeuer und kochen vegetarisch. "Zu mir hätte einfach kein Porschefahrer gepasst, der fünfmal im Jahr durch die Weltgeschichte fliegt", sagt Eva.