
Unsere Autorin verbringt sieben Stunden täglich am Smartphone, quasi ein Vollzeitjob. Jetzt lässt sie es eine Woche lang ausgeschaltet. Ein Selbstversuch.
Der Ort, an dem ich mir mein Smartphone am verzweifeltsten
wünsche, ist auf dem Klo. Denn die Wände drumherum sind zu
dünn, andere Menschen vermutlich in der Nähe. Ich würde gerne plärrende Tiktoks gucken. Doch ohne Smartphone bleibt mir nur, ein Bett
aus Klopapier in der Schüssel zu richten und parallel laut Zähne zu
putzen, um verräterische Geräusche zu übertönen.
Ich lebe eine Woche ohne Smartphone, weil ich vermute, dass ich süchtig sein könnte. Wie ich darauf komme: Das erste, das ich morgens mache, ist, Whatsapp-Nachrichten zu beantworten und Instagram zu checken. Während ich zu Mittag esse, glotze ich Youtube. Einschlafen
kann ich nicht, wenn ich vorher nicht drei Stunden gescrollt habe. Meine durchschnittliche Bildschirmzeit der vergangenen drei Wochen lag
bei sieben Stunden am Tag. Mein Handy beansprucht fast so viel Zeit
wie ein Vollzeitjob. Im Schnitt entsperre ich mein Gerät 120 mal täglich. Auf meine Wachzeit gerechnet ist das alle acht Minuten.
Klingt normal? Ungefähr 1,5 Prozent der deutschen Bevölkerung sind
internetabhängig, fand man in einer Studie vom Bundesministerium
für Gesundheit heraus. Der neueste Tiktok-Trend ist 45 Sekunden her,
diese Studie elf Jahre. Aktuellere bundesweite Zahlen gibt es offenbar
nicht. Was es auch nicht gibt: Smartphonesucht. Zumindest wird sie
nicht aufgeführt in ICD-11, der seit Januar 2022 geltenden statistischen Klassifikation von Krankheiten, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation. Die einzige Ausnahme ist die Internet-GamingDisorder, die 2019 auch die Weltgesundheitsorganisation anerkannt
hat. Das Smartphone selbst macht nach aktuellen Erkenntnissen aber
nicht süchtig.
„Das Smartphone ist nur Mittel zum Zweck“, sagt Christian Montag. Er
ist Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm und
forscht seit Jahren zu Internet- und Smartphonenutzung. „Alkoholiker
sind auch nicht von der Flasche abhängig, sondern von deren Inhalt.“
Auch eine Social-Media-Abhängigkeit ist nicht offiziell anerkannt.
Aber warum fühle ich mich dann so, als wäre ich betroffen?
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