- Von Carl Melchers
- -Aktualisiert am 03.06.2018-20:55
Eine Polizeieinheit stürmte gegen ein Uhr nachts den Club - mit Maschinenpistolen, Helmen und Schutzwesten. Offiziell suchte sie nach Drogendealern. Angeblich hatte sie zuvor einige Dealer vor dem Club verhaftet. Ich war gerade auf dem Weg dorthin. Als ich ankam, hatten sich bereits Hunderte von Leuten vor dem Club versammelt, und überall war Polizei, die das „Bassiani" schließlich schloss.
Georgien wirbt doch mit seiner Offenheit und möchte Tourismus. Diese Razzia passt gar nicht ins Bild.Eigentlich achtet die georgische Regierung auf ein weltoffenes Image, zu dem eben auch das „Bassiani" gehört - das „Berghain" Osteuropas. Aber die Leute, die das Land regieren, sind noch in der Sowjetunion aufgewachsen. Ihre politischen Ansichten und gesellschaftlichen Vorstellungen sind völlig gestrig. Es ist schizophren: Sie wollen, dass Georgien Teil der EU und der westlichen Welt wird. Zugleich halten sie Club-Gänger für degenerierte Drogenabhängige, die nur an ihr Vergnügen denken. Wir, die jungen Leute, und die Politiker, die das Land regieren, sprechen unterschiedliche Sprachen. Georgien ist mitten in einem Generationenkonflikt.
Ist der Club inzwischen wieder offen?Ja, seit Donnerstag voriger Woche ist er wieder geöffnet. Aber die Aktion der Polizei und die Schließung haben einen Schock ausgelöst. Das „Bassiani" ist viel mehr als nur ein Technoclub. Seit seiner Gründung im Oktober 2014 ist es ein politisches Projekt, eine gegenkulturelle Basis für alle fortschrittlichen Kräfte, die es in Georgien gibt: die Jugend, die LGBT-Bewegung, die Frauenrechtsbewegung und Bewegung zur Liberalisierung der Drogenpolitik. Jede dieser Bewegungen ist dort zu Hause und von dort ausgegangen. Ich selbst organisiere seit zwei Jahren die „Haroom Night", die erste und größte LGBT-Party in Georgien. Durch das „Bassiani" hat sich die queere Community unheimlich entwickelt. Vor ein paar Jahren waren wir nur ein paar Dutzend Aktivisten, heute sind gut tausend aktiv.
Sie erwähnten die Bewegung zur Liberalisierung der Drogenpolitik. Welche Rolle spielen denn die Drogen, um die es ja auch bei der Razzia gegangen sein soll?Die Drogenpolitik in Georgien ist sehr repressiv. Für den Besitz einer Pille Ecstasy kommt man bis zu acht Jahre ins Gefängnis. Das White Noise Movement, wie sich die Bewegung für die Entkriminalisierung des Drogenkonsums nennt, kämpft schon seit langem für eine Liberalisierung und macht auch konkrete Vorschläge, etwa zur Legalisierung von Marihuana. Das wäre auch ökonomisch bedeutend, Georgien ist ein armes Land.
Das klingt aber eher nach Privatvergnügen. Was hat das mit politischer Freiheit zu tun?Sehr viel. Die repressive Drogenpolitik ist schon seit der Sowjetzeit ein probates Mittel, um politisch Missliebige zu kriminalisieren. Die Polizei schiebt diesen Leuten bei einer Hausdurchsuchung oder Verhaftung Drogen unter, wodurch die Betroffenen nicht nur weggesperrt, sondern auch in der Öffentlichkeit diffamiert werden können.
Was passierte direkt im Anschluss an die Schließung des „Bassiani"-Clubs?Noch in der gleichen Nacht versammelten sich mehrere hundert Leute vor dem Club und protestierten. Als die Menge gegen fünf Uhr auf etwa tausend angewachsen war, versuchten wir die Straße zu blockieren, aber die Polizei griff uns an und verhaftete zwei Betreiber des „Bassiani" und ein bekanntes Mitglied der White-Noise-Bewegung. Wir zogen dann vor das Parlamentsgebäude in Tiflis, machten dort mehrere Stunden Musik und beschlossen schließlich, am Nachmittag zurückzukommen. Es kamen gut 15 000 Menschen. Mit so vielen hatte keiner gerechnet, weder wir noch die Regierung. Es waren größtenteils Jugendliche, aber beileibe nicht nur Leute aus der Clubszene.
Gab es auch Gegenproteste von rechten Gruppierungen?Seit etwa einem halben Jahr fordern die Anführer extrem rechter Gruppen die Schließung des „Bassiani"-Clubs. Etwa gleichzeitig dazu hat die AfD in Deutschland die Schließung des „Berghains" in Berlin gefordert. Genau wie in der AfD sind die Anführer der rechten Gruppen hier übrigens auch prorussisch. Es heißt, Sandro Bregadse, der Anführer der Partei Georgischer Marsch, fahre ungefähr einmal die Woche nach Moskau. Seine Partei ist extrem homophob, gegen Muslime und Immigration, und sie ist auch Anti-Nato und antiwestlich. Am Tag unseres großen Protests haben sie eine Gegendemonstration gemacht, es kamen aber maximal tausend Leute.
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