"Mesut Abi", nennen viele Kollegen aus der Nationalmannschaft Mesut Özil in einem Grußvideo zu seinem 28. Geburtstag. Der türkische Namenszusatz bedeutet so viel wie "großer Bruder". Er ist eine liebevolle Anrede für eine nahbare Respektsperson, jemand, der Autorität ausstrahlt, ohne völlig übergeordnet zu sein. Mesut Özil und Autorität? Völlig undenkbar, wenn man mancher Boulevardzeitung glaubt, manchem Experten oder Mario Basler. Angeblich hat er eine völlig falsche Körpersprache. Seine Schultern hängen. Er trabt, statt zu rennen. Ihm ist die Schwere des DFB-Trikots, in dem er sich nicht wohl fühlt, anzusehen. Wenn es für Deutschland nicht läuft, ist auf ihn kein Verlass. Zu gebrauchen ist er nur, wenn Deutschland ohnehin gewinnt. Jemand noch einen Korn?
Neben einer großen Zahl deutscher Fans abseits der Stammtische sehen das vor allem zwei Gruppen anders: Analysten und Mitspieler, sprich tatsächliche Experten. Auf einschlägigen Statistikseiten lassen sich seine einmaligen Spielmacherqualitäten in Zahlen ablesen, in Torvorlagen, Schlüsselpässen, kreierten Chancen. Aber was sind schon Statistiken ohne Kontext? Wer Wegbegleiter fragt, wird feststellen, dass Özil eben nicht nur dann wichtig für die Mannschaft ist, wenn es läuft. Im Gegenteil. "Du konntest ihm unter Druck den Ball geben, er hat keinen verloren", sagte Philipp Lahm der Süddeutschen Zeitung über Özils Beitrag zum WM-Titel 2014. Noch einmal: Wenn Philipp Lahm, Weltmeisterkapitän, mehrfach nominierter Weltfußballer, Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, der intelligenteste Spieler den Pep Guardiola je trainiert haben will, einer der besten Verteidiger der letzten Jahrzehnte, wenn der Philipp Lahm Angst hatte, wendete er sich an Mesut Özil...