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Volksentscheide in Deutschland: Weniger direkte Demokratie wagen!

Die Bayern haben sich per Volksentscheid das Rauchen abgewöhnt, die Hamburger die Primarschule gestoppt. Doch die Plebiszite sind alles andere als das Allheilmittel der Volksherrschaft. Björn Erichsen kommentiert.


Er wird wieder lauter, der Ruf nach direkter Demokratie. Spätestens seit sich die Bayern ein striktes Rauchverbot verordnet und die Hamburger am vergangenen Wochenende per Volksentscheid die Primarschule verhindert haben. Plebiszite als Vitalinjektion für ein schlingerndes politisches System, Schluss mit der Entmündigung durch Abgeordnete! Die Bürger sollen die wichtigen Entscheidungen wieder selbst treffen durch Volksentscheide im großen Stil, direkte Abstimmungen über den Bundespräsidenten, den nächsten EU-Vertrag oder die allgemeine Kurvenbegradigungsverordnung. Das wäre, so proklamieren die Befürworter der Plebiszite, die wahre Volksherrschaft, also Demokratie im besten Sinne. Der Ansatz wirkt reizvoll - ist aber, mit Verlaub gesagt, grober Unsinn. Wenn nicht sogar gefährlich.

Repräsentative Herrschaft ist selbstverständlich legitim. Sie wurde nötig, weil sich die großen europäischen Flächenstaaten nicht mehr wie in der griechischen Polis, der Wiege der Demokratie, per Bürgerversammlung auf dem Marktplatz regieren ließen. Das Abgeordnetenprinzip lässt sich ferner als Form moderner Arbeitsteilung verstehen: Da viele Themen zu komplex wurden, die Beschäftigung mit ihnen zu zeitintensiv, wurden Abgesandte in die Parlamente geschickt, die dort für den Willen der Wählerschaft eintreten sollten. Die Kontrolle erfolgt durch eine - im günstigen Fall - kritische Öffentlichkeit und die Vergabe der Herrschaft auf Zeit. Im Klartext: Wer seinen Job schlecht macht, wird zunächst kritisiert und dann abgewählt.

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