Abseits des großen Demozuges zum Christopher Street Day (CSD) hat es in Berlin eine Reihe polizeilich relevanter Vorfälle gegeben. Besonders ins Gewicht fiel der Protest bei der „Internationalist Queer Pride" (IQP) in Neukölln und Kreuzberg, der sich gegen Israel richtete.
Tausende demonstrieren dabei am Sonnabend unter dem Motto „Queers for Palestine". Für den „antikolonialen, antirassistischen und antikapitalistischen Freiheitskampf" sollten nach Angaben der Veranstalter rund 15.000 Teilnehmende auf die Straße gehen.
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Am Nachmittag versammelten sich rund 5000 Menschen auf dem Hermannplatz. Von dort sollte der Zug durch Kreuzberg zum Mariannenplatz führen. Zu sehen waren dabei etwa Transparente mit der Aufschrift „No Pride in Israel Apartheid" oder „No War But Class War".
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Die Stimmung war emotional aufgeladen bis aggressiv. Die Polizei ging immer wieder in die Menge herein und zog Leute heraus. Die Menge reagierte mit Sprechchören und Flaschenwürfen.
Vom Lautsprecher der Demonstration tönte „Yallah yallah Intifada" und „There is only one solution intifada revolution". Auf einem Transparent wurde die Nakba von 1948, die als „Katastrophe" bezeichnete Flucht der Palästinenser, zum Dauerzustand erklärt. Auf einem anderen Plakat stand: „Queers Destroy Zionists".
„Unsere Queerness wendet sich gegen die Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen einiger weniger, die weiterhin von jahrhundertelanger Ausbeutung, Genoziden, Kriegen und allen Formen des Kolonialismus profitieren", heißt es im politischen Manifest der Organisation.
Bis die Demonstration am Mariannenplatz ankam, dauerte es eine Weile. Immer wieder griff die Polizei ein, wenn sie strafbare Handlungen beobachtete, etwa verbotene Parolen. Teilnehmer zeigten auch mit den Fingern das Hamas-Dreieck. Und am Ende stimmten die Veranstalter selbst den antisemitischen Sprechchor „From the River to the Sea" an.
Zwei Dutzend Festnahmen beim Dyke* MarchSchon am Freitag hatte es beim Dyke* March mehrere Festnahmen gegeben. Bei der Demo für lesbische Sichtbarkeit spielte der Nahostkonflikt ebenfalls eine Rolle.
In dem Aufzug mit etwa 9000 Teilnehmenden am Freitagabend waren nach Angaben der Polizei auch propalästinensische Aktivisten sowie proisraelische Teilnehmende. Es seien Sprechchöre und antisemitische Parolen zu hören gewesen.
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Die Demonstration für lesbische Sichtbarkeit findet jährlich vor dem CSD statt. Das englische Wort „Dyke" bedeutet in etwa „Kampflesbe", und wird heute häufig als Eigenbezeichnung verwendet.
Die Polizei sprach von 28 Freiheitsbeschränkungen und ebenso vielen Strafanzeigen, unter anderem wegen Beleidigung, tätlichen Angriffs, Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen, Gefangenenbefreiung und Volksverhetzung. Sie war mit 300 Beamten im Einsatz. Gegen 21.20 Uhr wurde die Versammlung vom Veranstalter für beendet erklärt.
Attacken auf CSD geplant: Polizei hält Neonazis in SchachAm Sonnabend hatte die Polizei zudem mit einer Neonazi-Gruppe am Potsdamer Platz zu tun - und unterband Aktionen mit einem massiven Aufgebot.
Eine Truppe von rund zwei Dutzend Rechtsextremisten hatte sich am späten Vormittag im nördlichen Tilla-Durieux-Park in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz getroffen - Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene. Nach Tagesspiegel-Informationen sollen sie Aktionen und Attacken gegen den CSD und Teilnehmer geplant haben.
Gegen Mittag rückte die Polizei mit fast 50 Beamten von Einsatzhundertschaften an. Auch Beamte des für politische Straftaten zuständigen Staatsschutzes beim Landeskriminalamt (LKA) waren dabei. Der Einsatz zog sich über fast vier Stunden hin. Die Neonazis wurden einzeln kontrolliert, Beamte nahmen ihre Personalien auf.
Die längste Zeit standen die Neonazis, bewacht von Polizisten, in einer Ecke am Rande des Einkaufszentrums am Potsdamer Platz herum und mussten warten. Am Nachmittag wurden den Neonazis Handschellen angelegt, mit Gefangenentransporter wurden sie in eine Gefangenensammelstelle gebracht.
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Am Abend meldete die Polizei, dass sie dort 29 Neonazis aufgenommen habe, in der Mehrzahl Jugendliche und Heranwachsende. Zwei weitere seien entlassen worden, da sie unter 14 Jahre alt sind. Weitere Maßnahmen würden geprüft.
Bereits beim CSD 2023 hatten Männer der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg" CSD-Teilnehmer angegriffen. In diesem Jahr hatten die „Jungen Nationalisten" (JN), Nachwuchs der rechtsextremistischen Partei „Heimat", vormals NPD, aus Berlin-Brandenburg, dazu aufgerufen, aber auch eine neue Gruppe namens „Deutsche Jugend Voran" (DJV). Darunter war auch mindestens eine Person aus Essen (NRW).
Beide Gruppen hatten sich über interne Kanäle verabredet, dabei auch war der Aufruf, Handschuhe und einen Schlauchschal zur Vermummung dabei zu haben. In der Kommunikation hieß es etwa: „Jeder, der mitkommt, dem muss es bewusst sein, dass was passieren kann. Die Bullen werden uns nach bestimmter Zeit begleiten."
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Auch ihre queerfeindliche Weltsicht offenbarten sie klar: „Wir lassen nicht zu, dass Kinder mit Pedos mitlaufen zwischen alten, nackten Männern und alle sind willkommen und fassen sich an. Nein, das soll es nicht mehr geben." (mit dpa)