Der digitale Handel boomt. In kaum einer anderen Branche sind die Chancen, einen der begehrten Jobs zu ergattern, momentan so groß wie dort. Wir stellen drei Absolventen vor, die ihr Geld auf unterschiedliche Weise im Onlinehandel verdienen.
Data Science: Gunnar analysiert Kunden-Daten
Gunnar Griese ist so etwas wie der Wahrsager unter den E-Commercelern. Der Student der Fachhochschule Wesel schreibt gerade an seiner Masterarbeit im Bereich Data Sciene. Er analysiert für die Trakken Web Services GmbH die E-Commerce-Strategie, versucht, anhand von Daten das Verhalten der Kunden vorherzusagen. Der 25-Jährige schaut sich genau an, wie sich ein User auf einer Webseite beim letzten Besuch verhalten hat: Welche Seiten hat er aufgerufen und in welcher Reihenfolge? Wo hat er geklickt? "Daraus können wir ableiten, welche Produktempfehlungen für den Kunden besonders relevant sind."
Studium mit viel Praxisbezug
Gunnar ist Quereinsteiger, hat vor seinem Master ein duales Studium in Business Administration in Kooperation mit einer Bank absolviert, allerdings mit Schwerpunkt "Digital Marketing", und war noch woanders ein Jahr Trainee im Online-Marketing.
An der FH Wedel konnte er weiter Praxiserfahrung sammeln. "Im Master absolviert jeder zwei große Projekte", erzählt er. Bei einem analysierte er, wie Händler ihre Produkte auf dem Amazon-Marketplace erfolgreicher verkaufen. Und das zweite ging über anderthalb Semester: "Da haben wir für ein Hamburger Fashion-E-Commerce-Unternehmen die Online-Marketing-Strategie neu aufgesetzt und herausgefunden, wie die Conversion-Rate erhöht werden kann." Das Tolle: Die Ergebnisse wurden zum Teil sogar übernommen.
Insgesamt ist der Praxisanteil an der Fachhochschule sehr hoch: "Zur Theorie hat man fast immer auch die entsprechende Übung - was das Studium natürlich auch sehr arbeitsaufwendig macht", gibt Gunnar zu. Dafür stehen die Einstiegschancen nach dem Studium aber auch sehr gut: "Das Thema boomt in allen Bereichen, ob Strategie, Shopmanagement oder Online-Marketing." Gunnar selbst kann sich langfristig vorstellen, in die Beratungstätigkeit zu gehen, denn: "Der Bedarf an Experten in diesem Feld wird in sicherlich unverändert hoch bleiben."
Dass wir drei männliche Protagonisten haben, ist übrigens Zufall. Im E-Commerce-Studiengang an der FH Wedel beispielsweise ist der Anteil von Männern und Frauen annähernd ausgeglichen.
Wie unterscheidet sich das Kaufverhalten, wenn am Handy und nicht am PC geshoppt wird? Und was passiert, wenn nebenbei noch der Fernseher läuft? Sönke Iwers ist M-Commerce-Manager beim internationalen Handels- und Dienstleistungskonzern Otto Group und analysiert, wie man Kunden wo am besten anspricht. M steht dabei für Mobile und beschreibt eine Spezialisierung von E-Commerce auf mobile Endgeräte.
Studiert hat Sönke zunächst dual Wirtschaftsinformatik an der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein und dann ebenfalls "E-Commerce" an der FH Wedel. Während dieser Zeit hat er als Praktikant den Einstieg bei der Otto Group geschafft und anschließend im Innovation Management seine Masterarbeit über die Erfolgsfaktoren im E-Commerce geschrieben. "Nach dem Master einen Job zu bekommen, war gar kein Problem", erzählt der 29-Jährige. "Ich habe vier Bewerbungen geschrieben und wurde dreimal zum Vorstellungsgespräch eingeladen."
Sönke begann zunächst als Account Manager bei der Agentur SinnerSchrader und war hier als Projektmanager für unterschiedliche E-Commerce-Projekte zuständig. Für die spannenden Aufgaben mit viel Verantwortung und einer extrem hohen Lernkurve verzichtete er zunächst sogar auf ein höheres Gehalt, denn wie in allen Bereichen bezahlen auch hier Agenturen etwas schlechter als Konzerne. Mit einem Team von bis zu sechs Entwicklern implementierte er neue Features auf den Webportalen der Kunden und betreute auch die Arbeit von Textern und Designern.
Im Juli 2015 kehrte Sönke dann zur Otto Group zurück. "Dort entstand gerade das Mobile Lab, in dem Entwickler, Marketing Manager und Consultants zusammen die mobilen Auftritte der verschiedenen Unternehmen der Otto Group betreuen", erzählt er und ergänzt, dass seine vielfältigen Aufgaben Workshops bei den Unternehmen ebenso wie die Umsetzung von Reporting-Umfragen oder kompletten Apps beinhaltet haben.
Wenn er über den Wandel in seiner Branche nachdenkt, kommt er selbst ins Staunen. "Als ich mit meinem Bachelor begonnen habe, gab es noch keine iOS-Entwickler und mobile spielte eher eine untergeordnete Rolle." Um selbst bei den technischen Neuerungen am Ball zu bleiben, liest er viele Blogs. "Das Spannende ist, dass sich sogar die Konzerne erst noch ausprobieren müssen: Keiner weiß, was wirklich funktioniert. Strategien werden laufend geändert, Apps entwickelt und dann wieder vom Markt genommen." Der nächste große Wandel, prognostiziert Sönke, stünde in der Lebensmittelbranche bevor, wenn wir unseren Wochenendeinkauf online tätigen.
Stefan Berkenhoff hat E-Commerce von der Pike auf gelernt. Vor seinem Master in dieser Fachrichtung hat er BWL mit Schwerpunkt Dienstleistungsmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg studiert und seine Praxiseinheiten bei einem Onlineshop absolviert. Dort hat er hinterher auch noch zwei Jahre als Projektmanager im Bereich IT und Marketing gearbeitet. Momentan ist er Junior-Consultant bei einer Unternehmensberatung im Bereich E-Commerce und Digitalisierung. " Ohne auch nur eine einzige Bewerbung zu schreiben, hatte ich nach dem Abschluss vier lukrative Angebote, unter denen ich wählen konnte", erzählt der 29-Jährige und führt diese Luxussituation darauf zurück, dass er immer gut vernetzt war. Auch seinen aktuellen Arbeitgeber hat er nach diesem Kriterium ausgewählt. "Ich spezialisiere mich dabei zwar nicht so sehr wie bei einer Analystenstelle, dafür habe ich einen großen Überblick und lerne jeden Tag in den Projekten und mit verschiedenen Kunden weiter dazu."
Ein hoher Workload
Einen klassischen Arbeitsalltag hat Stefan nicht, dafür setzt sein Job viel Mobilität voraus, wenn er Kunden in allen Ecken Deutschlands berät. Flüge und Hotelübernachtungen gehören ganz selbstverständlich dazu. An anderen Tagen arbeitet er in seinem Büro in Hamburg. Wer sich für diesen Bereich interessiert, so glaubt er, benötige viel Disziplin und eine große Fähigkeit zur Selbstorganisation. "Der Workload ist immens hoch."
E-Commerce auf einen Blick
Laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) ist der Umsatz der deutschen Onlinehändler 2016 mit einem Plus von 12,5 Prozent auf 52,74 Milliarden Euro deutlich gewachsen. Die meisten Kunden kauften dabei Kleidung (für gut 11 Mrd. Euro), Elektronik- und Telekommunikationsartikel (für 8,74 Mrd. Euro) sowie Computer, Zubehör, Spiele und Software (für rund 3,7 Mrd. Euro). Ein deutliches Wachstum für die kommenden Jahre wird vor allem für die Lebensmittelbranche prognostiziert. Viele Unternehmen beklagen indes einen erheblichen Fachkräftemangel. Deshalb haben E-Commerce-Absolventen jetzt und später hervorragende Jobperspektiven. Was sie für die Branche qualifiziert: Sie haben einen Überblick über alle Vertriebskanäle des Unternehmens, erschließen neue Kundensegmente, erkunden neue Märkte und erkennen Wachstumschancen. Außerdem können sie neue Geschäftsmodelle analysieren und konzipieren. Mit diesen Qualifikationen winken beispielsweise eine Anstellung als Projektleiter in den Bereichen IT, Marketing oder Business-Development. Das Einstiegsgehalt unterscheidet sich dabei sehr stark. Je nach Branche und Unternehmensgröße liegt es bei etwa 35.000 bis 39.000 Euro. Zum Original