Geschickt schwingt sich ein kleiner Menschenaffe auf den Rücken seiner Ziehmutter. Gombe ist drei Jahre alt und wurde aus einer Bar im Zentrum der kongolesischen Hauptstadt Kinshasas gerettet, wo ihn die Betreiber zur Unterhaltung der Gäste gehalten hatten. Menschen haben ihn gefangen genommen, und Menschen sind es auch, die jetzt versuchen, ihm wieder ein gutes Leben zu ermöglichen.
Mama Peggy ist Gombes menschliche Ziehmutter in der Schutzstation „Lola Ya Bonobo" wenige Kilometer südlich von Kinshasa. Gegründet wurde die Auffangstelle 2002 von der Belgierin Claudine André, die in der Demokratischen Republik (DR) Kongo aufgewachsen ist.
Als in den 1990er Jahren zur Zeit des ersten Kongokrieges Menschen aus der Not Affen schlachteten, tauchten in Kinshasa auf dem Markt Affenbabys auf, die als Haustiere verkauft wurden. Die heute 76-jährige André fing an, gerettete Bonobos aufzuziehen.
Sie merkte schnell: Die Tiere brauchen nicht nur Futter und medizinische Versorgung, sondern auch Körperkontakt und eine Bezugsperson. Die Bonobos kratzen sich am Kopf, necken sich gegenseitig und werden manchmal wütend - 98 Prozent ihrer Gene stimmen mit denen des Menschen überein. Und so hat jedes Bonobo-Baby, das im „Lola Ya Bonobo" großgezogen wird, eine Menschenmutter, die sich über die Jahre kümmert und sogar mit ihm in einem Zimmer schläft.
Bonobo-Affen sind eine Unterart der Schimpansen, sie kommen nur in der DR Kongo vor, im Regenwald entlang des Äquators, südlich des Flusses Kongo, zum Beispiel im Nationalpark Salonga. Weil sie sich vor Wasser fürchten, haben Flüsse ihrer Verbreitung Grenzen gesetzt. Wie viele wilde Bonobos es noch gibt, lässt sich schwer sagen. Die Naturschutzorganisation WWF geht von 10.000 bis 50.000 Tieren aus. Vor 30 Jahren waren es Schätzungen zufolge noch 100.000.
„Bonobos sind zu hundert Prozent kongolesisch", sagt Blaise Mbuaki, der Bildungsreferent im Bonobo-Waisenhaus. Er führt hunderte Gruppen im Jahr über das Gelände - an diesem Sonntag ist es eine Großfamilie mit Kindern aus Kinshasa. Mbuaki hat einen Draht zu den Bonobos, er ruft sie schon von Weitem beim Namen. Und wenn es nicht gerade regnet und sie sich in den Bäumen verstecken, kommen sie auch.
Da ist zum einen die Matriarchin der Gruppe, die von den Männchen hofiert wird. Und dann gibt es den Unruhestifter. „Passt auf, der schmeißt manchmal Sand auf Besucher", warnt Mbuaki. Und just als die Gruppe aufbricht und der letzte sich gerade umdreht, hüpft der Provokateur vom Fels, greift eine Handvoll Sand, schleudert sie Richtung der Menschen und trifft einen Mann auf der ganzen Breitseite. Dann trollt er sich.
Die meisten der 68 Bonobo-Affen, die hier leben, wurden vom Markt in Kinshasa gerettet, wo sie verkauft werden sollten. Oft gelangen sie als kleine Babys hierher, deren Eltern für den Verzehr ihres Fleisches von Wildjägern geschossen wurden. Mbuaki will die Menschen in seiner Heimat - und vor allem die Kinder - sensibilisieren. „Wir bringen den Kindern bei, die Natur zu lieben, zu respektieren und zu schützen." Denn ein Kind, das sich auskennt, klärt auch seine Eltern auf, sagt Mbuaki.
In dem zentralafrikanischen Land wird bis heute viel Wild gegessen. Dazu zählen nicht nur Wildschweine und Antilopen, sondern eben auch Affen wie die Bonobos - obwohl es eigentlich verboten ist, sie zu besitzen, zu töten oder zu essen.
Die DR Kongo ist nach Brasilien der Staat mit dem größten erhaltenen Regenwald und auf dem afrikanischen Kontinent das Land mit der größten Biodiversität. Wenn die Bonobos aus dem Waisenhaus bereit sind, werden sie in einem Schutzgebiet in ihren natürlichen Lebensraum ausgewildert. Bei etwa 25 Affen hat das bisher geklappt. Die Arbeit des „Lola Ya Bonobo" wird mit Spenden finanziert, ein Förderverein in den USA stellt einen großen Teil des Geldes.
Am Ende der Tour fragt Blaise Mbuaki die Kinder: „Wer will das gefährlichste Tier der Welt sehen?" Die Kinder wagen sich langsam vor. In dem Verschlag hängt ein Spiegel. „Der Mensch ist das gefährlichste Tier der Welt, zerstört die Umwelt, tötet Tiere, macht den Wald kaputt", sagt Blaise Mbuaki zum Abschluss seiner Tour. „Und ihr könnt daran etwas ändern."