Birk Grüling

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Usha Peters: Diese Frau macht Rollstühle für Hunde mit Handicap

Usha Peters Diese Frau macht Rollstühle für Hunde mit Handicap

Shadow ist eine gute Antwort auf die Frage nach dem Warum. In halsbrecherischem Tempo saust der Schäferhundmix mit seinem Rollstuhl über den Hof und überfährt vor Freude ein paar Füße. Shadows Hinterbeine sind durch eine Wirbelfehlbildung gelähmt; doch weil die Räder ihre Arbeit übernehmen, fällt ihm das Herumtollen leicht. Usha Peters lächelt. Sie weiß um Shadows Wirkung auf Besucherinnen und Besucher ihres Tierschutzhofes. Nach seinem Auftritt zweifelt kaum noch jemand daran, dass ein Hundeleben im Rollstuhl wertvoll ist - und damit auch Peters Engagement.

Auf dem von ihr gegründeten "De Hun'nenhoff" am Rande der Lüneburger Heide leben derzeit 102 Hunde: eine bunte Mischung aus rumänischen Straßenhunden, auffällig gewordenen Kampfhunden und 30 Rolli-Fahrern wie Shadow. Dazu kommen 14 Katzen, ein Dutzend Pferde und Schafe sowie jede Menge Geflügel. 33 Mitarbeitende und genauso viele Ehrenamtliche kümmern sich auf dem 47 000 Quadratmeter großen Gelände um die Tiere. " Solche Dimensionen waren nie geplant", sagt Peters. "Eigentlich wollte ich nur schon immer einen Hund."

Die 58-Jährige ist Humangenetikerin, in ihrer Gemeinschaftspraxis in Hamburg behandelt sie seit 2002 Menschen mit Erberkrankungen. Ihre Arbeitstage sind oft vollgepackt, Peters zweifelte deshalb lange, ob sie für ein Haustier wirklich genügend Zeit habe. Doch dann entdeckte sie bei einer internationalen Tierschutzorganisation das Bild einer struppigen Terrier-Hündin ohne Hinterbeine, die sonst niemand wollte. Und gab sich einen Ruck: 2005 zog Lia bei ihr ein.

Zwei Räder machten den Anfang

Wie im Liegestütz hüpfte die Hündin anfangs durch die Wohnung. Rollstühle für Vierbeiner waren in Deutschland damals kaum bekannt. Peters wollte das nicht hinnehmen. Sie fand einen Bastler, der ihr einen Hunde-Rolli mit zwei Rädern und einer Halterung für den Hinterleib baute. Erst war Lia skeptisch. Vier Monate musste Peters sie mit Leckerbissen locken, dann sauste die Hündin zum ersten Mal los. Von da an streiften die beiden jeden Tag durch den Wald.

Bald zogen zwei weitere kaum vermittelbare Hunde bei Peters ein. Als sie bei einer Hundeschule um Unterstützung bei der Erziehung der Tiere bat, traf sie den Hundetrainer Tom Bode. Der hatte selbst drei Hunde und ein Faible für komplizierte Fälle. Sie freundeten sich an - und bekamen bald die ersten Hunde angeboten, die als gefährlich galten oder eine Behinderung hatten.

Erst wollten sie für alle ein neues Zuhause finden. Doch die Vermittlung gestaltete sich schwierig, also gründeten sie 2006 "De Hun'nenhoff". Zuerst zu zweit, mit wenigen Hunden, aus eigener Tasche finanziert. Seit 2015 haben sie ein stetig wachsendes Team, seit 2018 steht hinter dem Hof eine Stiftung. 800 000 Euro kostet der Betrieb pro Jahr, nur ein Teil davon stammt aus Spenden. Für das meiste kommen nach wie vor Peters und Bode auf - und packen neben ihrem vollen Berufsleben auch sonst viel mit an.

Es ist eine Lebensaufgabe

Eine Dauerlösung sei das natürlich nicht, sagt Peters, die selbst in einem Bauwagen auf dem Gelände lebt und lieber bei sich als bei ihren Tieren spart. "Über kurz oder lang werden wir uns verkleinern müssen." Schon jetzt könne sie keine Tiere mehr aufnehmen, trotz täglicher Anfragen von Besitzern, Tierärztinnen oder Veterinärämtern.

Nur bei Rolli-Hunden wird sie noch manchmal schwach. Denn die sind für sie nicht nur Lebensaufgabe, sondern inzwischen auch ein Alleinstellungsmerkmal des Hofes: Es gibt dort neben den aufgenommenen Tieren auch eine Pension für Hunde mit Handicap und ein Reha-Programm für alle, die nach einem Bandscheibenvorfall oder Unfall nicht mehr laufen können.

Rund 30 Rollstühle werden pro Jahr für den Hof gefertigt. Die Hunde können darin das Fahren üben, ihre Besitzer:innen lernen, wie man die Harnblase der Tiere ausdrückt. Anfragen kommen inzwischen aus ganz Deutschland. Hunde mit Handicap würden heute seltener eingeschläfert, hat Peters beobachtet. Stattdessen suchten die Besitzer:innen nach Wegen, ihr Leben lebenswert zu gestalten. Gut möglich, dass das auch das Verdienst von Usha Peters ist.

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