Birk Grüling

Wissenschaft für kleine und große Leser:innen, Buchholz

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Warum wachsen Haare am Körper so unterschiedlich?

Im Märchen ließ Rapunzel ihr Kopfhaar zum Prinzen herunter. So konnte er den hohen Turm hinaufklettern. Mit Haaren vom restlichen Körper wäre dieser Aufstieg kaum möglich gewesen. Dieses Märchen lässt den Eindruck entstehen, dass die Haare auf unserem Kopf ins Unendliche wachsen, ihre Länge an den Beinen oder Armen aber begrenzt ist. Doch dieser Eindruck täuscht.

Tatsächlich hören alle Haare irgendwann auf zu wachsen, allerdings in verschiedenen Längen. Das liegt an ihren unterschiedlichen Wachstumszyklen. An den Armen oder Beinen wachsen Haare nur etwa drei Monate, auf dem Kopf bis zu sechs Jahren. Diese Unterschiede entstehen, weil die Haarfollikel, also die kleinen Strukturen in der Haut, aus denen die Haare wachsen, auf dem Kopf deutlich empfindlicher auf Hormone wie zum Beispiel Östrogene und Androgene reagieren. Diese sind wiederum für das Wachstum und die Dauer der Haarwachstumsphase (mit-)verantwortlich.

Einfluss von Genen und Testosteron

Eine besonders interessante Rolle spielt auch das Sexualhormon Testosteron. Es lässt quasi Haare wachsen und ausfallen gleichzeitig. Doch von oben nach unten: Auf dem Kopf kann das Sexualhormon bei manchen Männern zu einer Verkürzung der Wachstumsphase führen und damit für Geheimratsecken und eine hohe Stirn sorgen. Ein wichtiger Faktor ist dabei die genetisch-bedingte Empfindlichkeit der Haarfollikel auf Dihydrotestosteron (DHT), ein Abbauprodukt von Testosteron. Im Laufe der Zeit lässt es die Haare dünner und kürzer werden, bis sie schließlich nicht mehr nachwachsen. Verschiedene genetische Varianten können das Risiko für Haarausfall erhöhen oder verringern.

Die Veranlagung für Haarausfall, insbesondere bei Männern, wird oft auch in der Familie weitergegeben. Forschende der Uni Bonn haben sogar 63 Genvarianten in unserem Genom ausgemacht, die das Risiko eines frühzeitigen Haarausfalls beeinflussen könnten. Ein leicht erhöhtes Risiko haben zum Beispiel kleinere Männer mit einer hellen Haut und hoher Knochendichte. Die schlechte Nachricht: Ein Wundermittel gegen Haarausfall lässt sich aus diesem Wissen noch nicht zaubern. Dafür ist das Phänomen einfach zu komplex und wird nicht nur unseren Genen, sondern eben auch von Hormonen und Umweltfaktoren beeinflusst.

Testosteron lässt Haare an unerwünschten Stellen sprießen

Interessanterweise können Männer keine Geheimratsecken auf dem Rücken oder der Brust bekommen. Die Haarfollikel auf Rücken oder Brust reagieren nämlich empfindlich auf Dihydrotestosteron. An diesen Stellen bewirkt Testosteron sogar das Gegenteil und sorgt für Haarwachstum. Deshalb sprießen bei Jungs und Mädchen in der Pubertät auch die Haare unter den Achseln, auf der Brust oder im Intimbereich. Wie stark diese Behaarung ausfällt - Sie ahnen es schon - hängt (auch) wieder von den Genen und Hormonen ab.

Gleiches gilt übrigens für die unerwünschten Haare, die mit zunehmendem Alter aus Nase und Ohren wachsen. Es wird angenommen, dass ein Abfall des Östrogens und eine Zunahme des Testosterons zu diesem vermehrten Haarwuchs führen. Darüber hinaus kann auch eine genetische Veranlagung eine Rolle spielen. Die Haarfollikel in den Ohren und der Nase reagieren also bei manchen Menschen empfindlicher auf Hormone und wachsen dadurch stärker. Doch die gute Nachricht: Auch diese Haare wachsen nicht ins Unendliche und lassen sich mit einem Rasierapparat gut im Zaum halten.

Protokoll: Birk Grüling Sie haben eine gute Frage? Schreiben Sie an magazin@rnd.de.

Zur Person: Dr. Afschin Fatemi ist Facharzt für Dermatologie mit Schwerpunkt Dermatochirurgie und ästhetischer Medizin und Gründer der S‑thetic-Gruppe mit zahlreichen Standorten in verschiedenen Regionen Deutschlands.

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