Birk Grüling

Wissenschaft für kleine und große Leser:innen, Buchholz

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Kolumne: Wie könnten Raumsonden zu weit entfernten Planeten fliegen?

Es gibt schon heute fünf Raumsonden, die unser Sonnensystem verlassen werden oder bereits verlassen haben. Zuletzt war das 2018 die Voyager 2. Auch wenn ihnen der Treibstoff bereits ausgegangen ist, fliegen sie einfach immer weiter. Planetare Entdeckungen können wir von ihnen allerdings kaum erwarten. Der interstellare Raum zwischen den Sternen ist so leer, dass die Sonden ewig geradeaus fliegen könnten, ohne einen Planeten oder Stern zu treffen. Deshalb bleiben wohl auch die goldenen Schallplatten mit Stimmen und Musik von der Erde in den beiden Voyager-Sonden auf ewig ungehört.

Selbst um einen relativ nahen Planeten wie zum Beispiel den Jupiter anzusteuern, müssen wir sehr genau zielen. Schließlich bewegen sich die Erde und der Jupiter auf ihren ganz eigenen Umlaufbahnen und sind keine festen Start- und Zielpunkte. Schon ein kleiner Rechenfehler könnte dazu führen, dass die Sonde am Ziel vorbeifliegt und in den unendlichen Weiten des Weltalls verschwindet. Ein Gegensteuern wie bei einem Raumschiff im Science-Fiction-Film ist nur schwerlich möglich. Deshalb wird auf eine günstige Stellung der Himmelskörper gewartet, um mit einem möglichst kurzen Weg Zeit und Energie zu sparen.

Wie kommt man nach Alpha Centauri?

Trotzdem braucht die Juice-Sonde noch acht Jahre bis zum Jupiter. Zum Vergleich: Das Licht würde für diesen Weg weniger als eine Stunde brauchen. Wenn wir das nächste Sonnensystem, also Proxima Centauri, anpeilen, sprechen wir schon von einer Lichtlaufzeit von über 4,2 Jahren. Mit heutigen Sonden bräuchten wir für diesen Weg etwa 75.000 Jahre. Und wenn wir vor Ort angekommen wären, hätten wir auch keinen Treibstoff mehr zum Manövrieren oder Abbremsen. Das heißt, die Sonde würde entweder am Ziel vorbeifliegen oder direkt in den Stern krachen.

Neue Konzepte müssten her. Wollten wir eine Sonde mit genug Treibstoff für die Reise ausstatten, wäre sie eher ein gewaltiges Raumschiff, groß wie eine Stadt. Dann könnten wir auch gleich Astronautinnen und Astronauten mitschicken, aber nicht eine kleine Crew, sondern mehrere Hunderte Menschen. Sie würden an Bord leben, Kinder kriegen und sterben. Ein solches „Multi-Generationenschiff" lässt sich bisher nicht bauen, von den moralischen Fragen ganz abgesehen.

Vielversprechender ist da schon das Konzept der ultraleichten Minisonden, die aus nicht viel mehr als aus einer Kamera und einem Funkmodul bestehen. Doch auch hier gibt es viele ungeklärte Fragen, zum Beispiel nach dem Antrieb. Eine Idee wäre ein großes Segel in der Erdumlaufbahn mit einem Laser, so stark wie der tägliche Energieverbrauch der Schweiz, zu beschießen und die reflektierenden Lichtimpulse als Anschwung für die kleinen Sonden zu nutzen. Diese Beschleunigung des Lichtsegels wäre extrem, tausendmal so stark wie die Erdbeschleunigung, die uns auf den Boden zieht, und würde nur eine halbe Stunde dauern. Danach fliegt die Sonde ungebremst in Richtung ferner Sterne. Sehr optimistische Schätzungen kommen auf eine Geschwindigkeit von einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit - zu Proxima Centauri würde man 20 Jahre brauchen.

Hoffnung liegt auf Weltraumteleskopen

Es gibt auch hier noch unheimlich viele offene Fragen, zum Beispiel, wie man den Laser so stark bündelt und dann ohne Störung auf das Lichtsegel in der Umlaufbahn schießen kann. Schon kleinste Verzögerungen könnten dazu führen, dass die Sonde am Ziel vorbeifliegt Auch für die Bremsung am Ziel muss man sich etwas überlegen. Eine tolle Idee: Alpha Centauri sind eigentlich drei Sterne zusammen, mit der Sonde ließe sich eine Art Billiardschuss ansetzen - von Stern A wird sie umgelenkt zu Stern B um dann weiter zu Stern C, also Proxima Centauri, zu fliegen. Eine solche Abbremsung würde noch mal 20 bis 30 Jahre dauern. Immerhin bekämen wir in einem Zeithorizont von 100 Jahren Bilder von nächsten Exoplaneten. Ob das wirklich funktioniert, kann niemand genau sagen. Auch einen solchen Start halte ich in den nächsten Jahrzehnten für sehr unrealistisch.

Deshalb liegt meine größte Hoffnung in Sachen Erkundung von Exoplaneten auf der Entwicklung von noch höher auflösenden Weltraumteleskopen, die uns zusätzliche Informationen aus anderen Galaxien liefern und noch kleinere Planeten ausmachen können. Deren Entwicklung und Start liegt in deutlich näherer Zukunft als interstellare Missionen mit kleinen Raumsonden.

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