Birk Grüling

Wissenschaft für kleine und große Leser:innen, Buchholz

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Präparator und Restaurator: Erschrecken verboten

Ein grelles Fiepen tönt durch Iris Feichtingers Werkstatt im Wiener Naturkundemuseum. Sie hört von dem Lärm nichts. Auf ihren Ohren wummert Rockmusik. Das hilft ihr, sich zu konzentrieren. Sobald sie sich mit Kratzer, Meißel und Pressluft-Stichel über Dino-Knochen beugt, darf man sie auf keinen Fall stören oder antippen - das ist die wichtigste Regel: Würde sie sich erschrecken und abrutschen, wäre das eine Katastrophe. Die Knochen, an denen sie arbeitet, sind nämlich uralt.

Iris' Beruf nennt man Präparatorin. Ihre Aufgabe ist es, versteinerte Tiere und Pflanzen so herzurichten, dass Besucher sie im Museum bestaunen können - zum Beispiel das Skelett, an dem sie gerade arbeitet. Es stammt von einem Plateosaurus, einem acht Meter langen pflanzenfressenden Dinosaurier, der vor rund 210 Millionen Jahren auch im heutigen Deutschland gelebt hat. Millimeter für Millimeter hat Iris die Knochen von Dreck und Gestein befreit. Fast ein Jahr lang Fummelarbeit hat sie reingesteckt - ganz schön viel Aufwand für einen Haufen Knochen.

Wenn eine Hose, eine Waschmaschine oder das Handy kaputtgeht, machen sich Erwachsene oft nicht viel Mühe, diese Dinge zu retten, sie kaufen sie neu. Auch wenn ein altes Haus zerfällt, kommen nicht selten Bagger und reißen es ab, damit ein moderneres auf dem Grundstück gebaut werden kann. Die neuen Sachen oder Gebäude sind nun wertvoller als die ollen. Manche alten Dinge aber wollen sie unbedingt erhalten: Omas Vase zum Beispiel, ein Gemälde oder eben Dino-Knochen. Was machen Menschen bloß für einen Wirbel um solche Sachen?

"Dino-Skelette, die gefunden werden, sind nie komplett", erklärt Iris am Telefon. Auch bei dem Plateosaurier, der in zu sehen ist, waren nicht alle Knochen auffindbar. Dem Skelett fehlten der Kopf, der linke Fuß und einige Rippen. Nach seinem Tod schleppten wohl andere Dinos die Teile fort und haben sie dann abgenagt. Deshalb musste Iris tricksen: Fehlende Knochen wurden am Computer modelliert, von einem 3-D-Drucker hergestellt und anschließend angemalt.

Das geht aber nur, wenn man weiß, wie die Originalknochen ausgesehen haben müssen: Den fehlenden Fuß konnte Iris nur nachbilden, weil sie sich an den Knochen des rechten Fußes orientieren konnte. Wie der Kopf des Plateosaurus ausgesehen haben muss, wusste sie, weil sie einen Abguss aus einem anderen Museum bekam.

Jeder Knochenfund ist also wichtig, denn nur wenn Präparatoren im Team arbeiten, können sie Knochen für Knochen das ganze Skelett zusammensetzen. Forscherinnen und Forscher können nun anhand des Skeletts Spannendes über die Vergangenheit lernen: Sie finden heraus, wie groß und schwer der Dino war, wie er sich bewegt hat oder wie seine Haut ausgesehen haben muss. Sie können dann berichten, wie das Leben auf der Erde ausgesehen hat, bevor die Menschen in Schriften und Bildern alles festhalten konnten.

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