Birk Grüling

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„Die Sonne schien jahrelang nicht mehr": Was wir über die letzten Tage der Dinosaurier wissen

RND-Interview mit Riley Black

Frau Black, was fasziniert Sie an den letzten Tagen der Dinosaurier, sodass Sie darüber auch ein Buch geschrieben haben?

„Die Sonne schien jahrelang nicht mehr": Was wir über die letzten Tage der Dinosaurier wissen

Manche Forschende glauben, dass die Ära der Dinosaurier schon vor dem Einschlag zu Ende ging. Wie stand es um die Saurier kurz vor dem Einschlag?

Mehr als 180 Millionen Jahre lebten die Dinosaurier auf der Erde. Ihre Ära endete abrupt mit dem Einschlag eines gewaltigen Asteroiden. Feuer, Erdbeben und Flutwellen folgten. Die Autorin Riley Black erklärt im RND-Interview, warum einige Tiere das überlebten und andere nicht.

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Der Einschlag des Asteroiden ist ein gut dokumentiertes Ereignis. Wir alle kennen die direkten Folgen des Einschlags, zum Beispiel das Aussterben der Dinosaurier mit Ausnahme der Vögel. Ich widme mich in meinem Buch eher den kleinen, unbekannteren Details, zum Beispiel der Frage, wie manche Tiere den Einschlag überleben konnten oder wie das Leben auf der Erde zurückkam. Dazu gab es in den letzten Jahren viele spannende Forschungsergebnisse.

Vor 66 Millionen Jahren lag aus meiner Sicht kein Massenaussterben in der Luft. Die Fossilienfunde zeigen uns immer nur einen kleinen Ausschnitt der wirklichen Artenvielfalt und der Ökosysteme. Von den allermeisten Dinosauriern werden wir nie Spuren finden, weil sie in Wüsten, auf Bergen oder in trockenen Steppen lebten und starben. Es ist also schwierig zu sagen, wie es um die globale Artenvielfalt der Dinosaurier stand. Es gab sicher immer noch sehr erfolgreiche Arten wie den T-Rex oder Entenschnabelsaurier, die in großer Zahl auf der Erde lebten. Auch in den Meeren und in der Luft flogen und schwammen noch große Saurier. Dazu kommt die Anpassungsfähigkeit der Dinosaurier. Sie haben eine Vielzahl von Klimaveränderungen, Bewegungen der tektonischen Platten und viele Vulkanausbrüche überstanden und sind 180 Millionen Jahre lang nicht ausgestorben.

Knapp 75 Prozent aller Lebewesen auf der Erde starben bei oder kurz nach dem Einschlag.

Was können wir aus Fossilien über Einschläge lernen?

Vor 66 Millionen Jahren änderte sich das schlagartig. Was waren die Folgen des Einschlags?

Wie konnten manche Tiere diesen Einschlag überleben?

Unsere Erde wurde von einem Gesteinsbrocken so groß wie ein Berg getroffen, und zwar mit gewaltiger Geschwindigkeit und unvorstellbarer Wucht. Bis heute kann man den Einschlagskrater vor der Küste Mexikos sehen. Er ist 10 Kilometer tief und 180 Kilometer im Durchmesser. Beim Einschlag wurden tonnenweiße Staub und winzige Steine aufgewirbelt. Wir finden diese kleinen Gesteinsbrocken auf allen Kontinenten. Die winzigen Steine wurden bis hoch in die Atmosphäre geschleudert und verglühten auf dem Weg zurück auf die Erde.

So wurde es auf der Erde heißer als in einem Backofen. Wälder brannten. Außerdem gab es gewaltige Flutwellen und Erdbeben. In den nächsten Tagen, Wochen und Jahren blieb es ungemütlich auf der Erde. Der Staub des Aufschlags verdunkelte den Himmel, die Sonne schien über Jahre nicht mehr. Die Temperaturen fielen um bis zu 25 Grad, es wurde schlagartig Winter. All das kostete mehr als drei Viertel aller Lebewesen auf der Erde das Leben. Die Besonderheit daran ist die Schnelligkeit, alle anderen Massenaussterben zogen sich über viele Hunderttausend Jahre.

Unlängst erschien zum Beispiel eine Studie über urzeitliche Fische, die beim Asteroideneinschlag vor 66 Millionen getötet und fast unversehrt versteinert wurden. Diese Fische sind verwandt mit heutigen Stören. Von ihnen weiß man, dass sie im Frühjahr noch mitten in der Wachstumsphase stecken. Auch diese Fischfossilien waren noch nicht ausgewachsen. Der Asteroid schlug also im Frühjahr auf der Nordhalbkugel ein. Für die meisten Tiere war das ein schlechter Zeitpunkt. Im Frühjahr steht die Paarungszeit an und manche Tiere nisteten bereits. Wir wissen leider noch nicht sehr viel darüber, was in der südlichen Hemisphäre passierte und ob es den Tieren half, dass dort schon der Herbst angebrochen war.

Knapp 75 Prozent aller Lebewesen auf der Erde starben bei oder kurz nach dem Einschlag. Aber keine Tiergruppe verschwand gänzlich, keine blieb vollständig verschont. Von den Dinosauriern blieben die Vögel übrig. Viele überlebende Säugetiere waren klein und anpassungsfähig. Sie lebten unter der Erde und konnten sich sowohl von Wurzeln als auch von kleinen Insekten oder Echsen ernähren. Zu diesen Tieren gehörten unsere Vorfahren. Auch in Süßwasserökosystemen wie Teichen oder Seen standen die Überlebenschancen gut. Dort überstanden auch viele Frösche, Fische, Schildkröten oder auch Krokodile die Katastrophe.

Eine Schicht aus Wasser oder Erde über dem Kopf zu haben war also keine schlechte Überlebensstrategie.

In ihrem Buch „Die letzten Tage der Dinosaurier" gibt es einzelne Kapitel darüber, wie die Welt 100 Jahre, 100.000 Jahre und auch eine Million Jahre nach dem Einschlag aussah. Wie veränderte sich die Welt in dieser Zeit?

Was sind noch offene Forschungsfragen über die letzten Tage der Dinosaurier?

100 Jahre nach dem Einschlag war der plötzliche Winter vorbei, auch die Sonne schien wieder. Die überlebenden Tiere breiteten sich wieder aus. Insekten und kleine Säugetiere waren wieder auf dem Vormarsch. Die Pflanzen und Bäume haben dagegen noch Schwierigkeiten, ihre alte Größe wiederzuerlangen. Es gibt also noch keine großen, dichten Wälder.

100.000 Jahre nach dem Einschlag ist die Welt schon deutlich grüner geworden. Wir finden zum Beispiel die Pollen von Farnen an vielen Fossilienfundstellen. Diese Pflanzen kommen sehr gut mit schwierigen Umweltvoraussetzungen klar und waren zu diesem Zeitpunkt schon wieder zu alter Größe herangewachsen.

Können wir aus diesem Massenaussterbeereignis etwas für die Zukunft und den heutigen Verlust der Artenvielfalt lernen?

Nach einer Million Jahre hatte auch die Artenvielfalt immense Sprünge gemacht. Das Klima der Erde wurde wieder wärmer. In den Bäumen der teils tropischen Wälder lebten frühe Primaten. Die Säugetiere wurden außerdem wieder deutlich größer, die größten hatten etwa die Größe eines Schäferhundes. Und noch wichtiger: Sie besetzen immer mehr Nischen und konkurrieren um Spitzenplätze in der Nahrungskette. Bis aber alle Lücken und Aufgaben in den Ökosystemen wieder komplett mit großen Raubtieren und wichtigen Akteuren gefüllt waren, vergingen fast zehn Millionen Jahre.

Was der Wissenschaft immer noch fehlt, ist ein globales Bild der Katastrophe. Die Fossilienfunde aus dieser Zeit sind lückenhaft und bisher nicht auf jedem Kontinent gefunden worden. Wir können also nur schwerlich Vergleiche zwischen verschiedenen Regionen ziehen. Wir wissen auch nicht, ob vielleicht bestimmte Dino-Arten oder große Meeressaurier länger überlebten und vielleicht erst in den Jahren nach dem Einschlag ausstarben. Auch über mögliche Wanderungen von Tieren können wir wenig sagen. Um solche globalen Fragen zu klären, brauchen wir einfach noch mehr Fossilienfundstellen aus der Zeit des Einschlags. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir bald mehr finden werden und sich in den nächsten Jahren unser Bild dieser Katastrophe noch weiter vervollständigen wird.

Forschende der Nasa suchen nach Wegen, um den erneuten Einschlag eines großen Asteroiden auf die Erde zu verhindern. Unlängst wurde deshalb getestet, ob man die Flugbahn eines solchen Himmelskörpers ablenken könnte, indem man mit großer Geschwindigkeit einen Satelliten hineinfliegen lässt. Auf der anderen Seite ist das Massenaussterben vor 66 Millionen wirklich ein großer Unfall. Direkte Rückschlüsse für den heutigen Verlust der Artenvielfalt sind also schwer. Außer vielleicht, dass wir anders als ein Asteroid noch die Richtung wechseln und eine echte Katastrophe verhindern können.

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