DIE ZEIT: Frau Karliczek, wie fühlt es sich an, in eiskaltes Wasser zu springen?
Christina Karliczek: Vor allem im Gesicht spürt man die Kälte sofort. Sie sticht wie kleine Nadeln in die Haut und die Lippen. Das ist die einzige freie Stelle, der Rest des Körpers ist von dem Tauchanzug bedeckt. Aber der Kälteschock legt sich schnell, und dann konzentriere ich mich auf die Arbeit und tauche hinab.
ZEIT: Sie schwimmen im Meer unter dicken Eisplatten. Wie sieht es dort aus?
Karliczek: Es ist eine etwas unheimliche, aber schöne Welt. Das Wasser ist eher dunkel, und über dem Kopf sieht man keinen Himmel, sondern nur gewaltige Stücke von Gletschern und Eisschollen, die sich hin und her bewegen. Manche ragen tief ins Wasser hinein. Deshalb wirkt es eher wie ein eisiges Labyrinth oder eine Höhle. Gleichzeitig ist es dort unten sehr lebendig und bunt. Es gibt Fische, Garnelen, Seesterne, Plankton und manchmal auch Robben.
ZEIT: Haben Sie dort auch mal Angst?
Karliczek: Nein, aber wir tauchen durch ein Loch im Eis ab, und durch das müssen wir auch wieder raus, wenn wir atmen wollen. Wir haben ja nur für eine begrenzte Zeit Luftflaschen dabei. Das Loch müssen wir immer im Blick behalten, und das ist schon ein komisches Gefühl. Aber wir binden uns zur Sicherheit ein Seil um, das zur Oberfläche führt. Die Leinen sind durch das Loch an einem Menschen auf dem Eis befestigt.
ZEIT: Sie haben einen Film über Eishaie gemacht. Wie muss man sich die vorstellen?
Karliczek: Es sind gewaltige Tiere, manche sind sieben Meter lang. Sie können vermutlich 400 Jahre alt werden, haben eine graubraune Haut, eine kleine, weiche Rückenflosse und bewegen sich sehr langsam durch das eisige Wasser.
ZEIT: Diese Haie werden selten beobachtet. Wie haben Sie sie vor die Kamera bekommen?
Karliczek: Das war extrem schwierig. Eishaie verbringen kaum Zeit an der Oberfläche, auch über ihre Wanderungen ist nicht viel bekannt. Die meisten Haiarten, die wir gefilmt haben, mussten wir mit Ködern anlocken, um sie überhaupt sehen zu können. Riesenhaie aber kommen an die Oberfläche, um winzige Planktonkrebse zu fressen. Da sind wir viele Tage raus aufs Meer gefahren, immer in voller Tauchausrüstung, auf einem schwankenden Boot, bei hohen Wellen. Wenn wir endlich eine Rückenflosse entdeckt haben, waren wir sofort bereit.
ZEIT: Wie reagieren die Haie auf Taucher?
Karliczek: Eishaie ziehen gemütlich vorbei und ignorieren uns. Das ist auch nicht verwunderlich. Sie sind fast blind, immerhin leben sie die meiste Zeit in Tiefen bis zu 2000 Metern unter der Oberfläche. Da ist es eh stockdunkel. Auch Riesenhaie machen eher einen Bogen um Taucher. Die kleineren Dornhaie sind dagegen neugierig und schwimmen direkt auf einen zu.
ZEIT: Mit Haien zu tauchen klingt aber auch gefährlich ...
Karliczek: Für uns Menschen sind Haie äußerst selten gefährlich, schon gar nicht die aus unseren nördlichen Meeren. Wir haben zum Beispiel Riesenhaie gefilmt. Die sind zwölf Meter lang, fressen aber nur Plankton, also winzige Tiere. Auch Eishaie ernähren sich eher von Fischen und anderen Tieren, die am Meeresboden leben.
ZEIT: Sie haben also nie etwas Brenzliges erlebt?
Karliczek: Doch, aber mit einem Seehecht. Die Fische beschützen ihre Reviere sehr stark und haben spitze Zähne. Die sind nicht gefährlich für uns, können aber Löcher in den Trockentauchanzug beißen. Dann läuft da Wasser rein, und es wird ziemlich unangenehm kalt. Einer kam uns einmal sehr nah. Zum Glück biss er aber nur in unsere Lampe und ließ sich danach schnell vertreiben.
ZEIT: Trotzdem - alles ziemlich wild. Warum filmen Sie nicht einfach Hammerhaie oder Tigerhaie, die leben wenigstens im warmen Wasser?
Karliczek: Weil es spannend ist, Haiarten zu beobachten, die noch nicht viel gefilmt worden sind. Wir waren zum Beispiel eines der ersten Kamerateams, die das Leuchten von Laternenhaien filmen konnten. Diese Haie senden Licht aus, so ähnlich wie Glühwürmchen. Ihr Bauch schimmert dann blau. Das ist schon toll. Außerdem kann ich mit den Filmen den Zuschauern Tiere zeigen, die wichtig sind zu schützen. Denn durch die Überfischung sind viele Haie vom Aussterben bedroht. Geschieht das, hätte das große Auswirkungen.
ZEIT: Inwiefern?
Karliczek: Sterben zu viele Haie, gerät das gesamte Ökosystem unter Wasser durcheinander. Haie fressen zum Beispiel kleinere Raubfische, die sonst pflanzenfressende Riffbewohner fressen. Die wiederum vertilgen am liebsten Algen, die sonst über die Korallen wachsen würden. Gibt es also genug Haie, geht es auch den Korallenriffen gut. Außerdem halten Haie die Meere sauber, indem sie zum Beispiel tote und kranke Fische fressen.
ZEIT: Wie ist es, schließlich wieder aus dem Wasser herauszukommen?
Karliczek: Irgendwann kriecht die Kälte auch durch die dicksten Tauchsachen. Wir wärmen uns deshalb erst mal mit Tee auf. Dann schauen wir die Bilder an und freuen uns.
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