Birk Grüling

Wissenschaft für kleine und große Leser:innen, Buchholz

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Zuckerblitz Band: Kindermusik, die Spaß macht - und trotzdem cool ist

Zugegeben, die Mail der Plattenfirma klang erst mal nicht sonderlich vielversprechend. Der Tenor: Der eine von Deichkind und ein Songwriter, der Hits für viele Popmusiker schreibt, machen jetzt Kindermusik. Der Name: Zuckerblitz Band, das Album: „Achtung Kokosnuss!". Tatsächlich versuchen sich viele bekannte Musiker im Laufe ihrer Karriere an der Musik für kleine Hörer - manchmal nur für einen Song, manchmal sogar auf einem ganzen Album. Die Qualität dieser Ausflüge ist oft ziemlich schwankend, genau wie die Motivation. Manchmal sind es die eigenen Kinder, manchmal das schöne Geld für den Titelsong für einen neuen Kinofilm. Trotz erster Vorbehalte klickte ich auf den mitgelieferten Youtube-Link zum Song „Judo & Karate".

Zwei Minuten und 29 Sekunden später war und bin ich überzeugt - Zuckerblitz Band macht ziemlich coole Kindermusik. Doch zu den Fakten: Sebastian „Porky" Dürre ist eigentlich Rapper bei der bekannten Hamburger Combo Deichkind - so etwas wie die deutschen Beastie Boys. Er lebt mit Frau und Kindern in Hamburg. Mario „Malo" Wesser agiert eher hinter den Kulissen der Musikbranche und schreibt ziemlich erfolgreich Songs für Musiker wie Adel Tawil, Andreas Bourani und Ma r teria. Er und seine Familie leben auf Big Island, Hawaii. Entsprechend braun gebrannt und entspannt wirkt er auch im Interview per Videochat.

Ausgangspunkt: Kindersprüche auf Hawaii

Passenderweise hat auch die Zuckerblitz Band auf der Vulkaninsel ihren Ursprung. Die beiden Familien trafen sich dort zum gemeinsamen Urlaub. Im Auto erkundeten die beiden Papas mit dem Nachwuchs die Insel. Auf der Rückbank wurden Kindersprüche geklopft, vorne lachten sich die beiden Musiker scheckig. „Diese Sprüche waren so stark. Irgendwann haben wir sie zusammengetragen und einen ersten Text daraus gemacht", erinnert sich Malo. Am Ende entsteht erst der Song „Judo & Karate" und dann der Entschluss, ein ganzes Kindermusikalbum zu machen. Immer wieder trafen sich die Familien, immer wieder wurde den eigenen Kindern sehr genau zugehört, immer entstanden neue Songs. Der eigene Anspruch: „Wir wollten Musik machen, die nicht so arg nach Kindermusik klingt, sondern sich mit dem geilen Scheiß der Großen messen kann", sagt Porky. Das sei schließlich ein großes Bedürfnis all dieser coolen Mädchen und Jungen, die eigentlich schon viel dürfen, auf dem Skateboard oder dem Fahrrad unterwegs sind und trotzdem noch gerne mit Mama und Papa kuscheln.

Sebastian „Porky" Dürre ist eigentlich Rapper bei der bekannten Hamburger Combo Deichkind. Mario „Malo" Wesser agiert eher hinter den Kulissen der Musikbranche und schreibt ziemlich erfolgreich Songs für Musiker wie Adel Tawil, Andreas Bourani und Marteria. Die beiden Freunde sind nun auch die Zuckerblitz Band. © Quelle: Zuckerblitz-Band

Nur die Themen und der Humor sollten natürlich kindgerecht bleiben. Deshalb geht es um Haustiere, Fahrradfahren oder richtig viele Geschenke. Alle Textideen und Inspirationen stammen übrigens von den eigenen Kindern. Die „Großen" gaben nur ihr musikalisches Know-how dazu. Wer nun Deichkind-Klänge erwartet, wird überrascht sein. Die beiden Musiker kehren auf „Achtung Kokosnuss!" zu ihren musikalischen Wurzeln zurück, und die liegen deutlich hörbar im Rock, Punk und Reggae. Deshalb wird der Song über die aufkeimenden Kampfkünste der Grundschüler mit Stromgitarren untermalt, und eine Liebeserklärung an Spaghetti mit Tomatensoße würde wohl auch auf dem Wacken Open Air viele begeisterte Zuhörer finden.

Kindermusik als große neue Freiheit

Als Brückenschlag zu meiner anfänglichen Skepsis gegenüber den Kindermusikausflügen bekannter Musiker könnte man hier wohl sagen, dass die Lust auf künstlerische Freiheit, vielleicht auch die Ambition, den eigenen Kindern Musik zu schenken, die größte Motivation zur Zuckerblitz Band war. So erzählt auch Porky etwas wehmütig im Interview, er sei zwar im Herzen Rockmusiker, habe aber nie in einer erfolgreichen Rockband gespielt. Umso schöner sei es nun, all diese Einflüsse rauszulassen, ganz ohne großen Erfolgsdruck oder schweren Plattendeal im Rücken. Kommerziellen Erfolg hat man mit Deichkind oder als Songschreiber genug, die Zuckerblitz Band steht eher für Freiheit und Leichtigkeit.

Genau diesen Spaß hört man dem Debütalbum „Achtung Kokosnuss!" auch an. Hier braucht es keine Metaebene, keine Konsumkritik, kein Schielen auf Trends, um möglichst viele Tonträger zu verkaufen, um möglichst viele Streams zu haben. Das einzige Qualitätskriterium ist am Ende der Geschmack der eigenen Kinder: „Wenn unsere Kinder mitgesummt oder gelacht haben, wurde die Nummer weiterverfolgt. Gab es keine Reaktion, landete die Idee im Papierkorb", sagt Malo. Dieser große Fokus auf die Kinder und ihre Weltsicht wird auch in den Texten sichtbar. Da bekommt der Hausmeister schon mal einen Schlüsselbund um die Ohren gehauen, da wird schon mal das Schenken gefeiert. Bei sehr pädagogischen Eltern könnten solche Textpassagen durchaus für Kopfschütteln sorgen. Doch auch damit hätten die Zuckerblitze aus Hamburg und Hawaii wieder ihr Ziel erreicht, Musik zu machen, die sich mit dem geilen Scheiß der Großen messen kann, Musik, mit der die coolen Kids im Grundschulalter das erste Mal gegen die Eltern rebellieren können.

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